Leitsatz
Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung, die nach Ablauf eines Zeitraums von mehr als 12 Jahren nach Vertragsabschluss bei Weiterführung des Versicherungsvertrags gezahlt werden, sind in entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG steuerfrei.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 1998
Sachverhalt
Der Kläger schloss 1982 eine Kapitallebensversicherung mit Sparanteil auf den Erlebens- oder Todesfall mit einer Versicherungssumme von 106.247 DM ab. Die Laufzeit des Vertrags erstreckte sich vom 1.4.1982 bis zum 1.4.2002. Am 1.9.1998 zahlte die Versicherung an den Kläger für die Zeit vom 1.4.1982 bis zum 1.9.1998 Zinsen i.H.v. 16.102,13 DM aus.
Das FA behandelte die Zinsen als nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das stattgebende Urteil des FG Düsseldorf vom 18.9.2003, 10 K 4981/00 E, DStRE 2004, 310, und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.
Zwar ergebe sich eine Steuerfreiheit der Zinsen nicht unmittelbar aus § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG. Die darin ausdrücklich genannten Befreiungstatbestände lägen nicht vor. Bislang sei ein vergleichbarer Sachverhalt noch nicht entschieden worden. Das – nachgewiesene – Schrifttum beurteile die Rechtsfrage unterschiedlich. Der BFH schließt sich jener Auffassung – entgegen der Anweisung im BMF-Schreiben vom 31.8.1979, IV B 4 – S 2252 – 77/79, BStBl I 1979, 592, ebenfalls R 154 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a EStR 2001, an, die eine analoge Anwendung des Befreiungstatbestands in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG bei weiterhin Vorsorgezwecken dienenden Verträgen und gewahrter Mindestfrist im Zeitpunkt der Auszahlung der Zinsen als berechtigt ansieht.
Hinweis
1. Zinsen aus Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 dieser Vorschrift bleiben Zinsen aus Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG steuerfrei, wenn sie mit Beiträgen verrechnet oder bei Rückkauf nach Ablauf von 12 Jahren nach Vertragsschluss ausgezahlt werden. Gesetzlich nicht geregelt ist, dass Zinsen zu einem noch laufenden Vertrag ebenfalls erst nach 12 Jahren seit Vertragsschluss ausgezahlt werden.
2. Mit Einführung der Steuerpflicht für derartige Zinsen durch das EStRG 1974 sollten nur noch solche Zinsen aus Lebensversicherungen steuerfrei bleiben, die der Risikovorsorge und der Alterversorgung dienen (vgl. BT-Drs. 7/1470, 273; 13/1686, 26 zum JStG 1996).
3. Wird bei Rückkauf der Vorsorgezweck als erfüllt angesehen und knüpft die Steuerfreiheit allein an die Mindestlaufzeit des Vertrags von 12 Jahren an, vgl. BFH, Urteil vom 6.7.2005, VIII R 71/04, BFH/NV 2005, 2108, ohne jegliche weitere Einschränkung, wie z.B. ein bestimmtes Lebensalter bzw. das Erreichen des Rentenalters, oder das Ausscheiden aus dem Berufsleben bei Fälligkeit, so ist es erst recht vom Gesetzeszweck gedeckt, bei Weiterführung des Vertrags die erst nach Ablauf des Mindestzeitraums von 12 Jahren ausgezahlten Zinsen steuerfrei zu belassen. Hier wird dem Vorsorgegedanken sogar weit stärker Rechnung getragen als bei einer aufgrund Rückkaufs vollständigen Vertragsbeendigung.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.10.2005, VIII R 87/03