Prof. Dr. rer. pol. Claudia Rademacher-Gottwald
Leitsatz
Eine Abfindung, die ein ehemaliger Arbeitgeber dem ehemaligen Arbeitnehmer für den Verzicht auf eine vertraglich zugesicherte Wiedereinstellung nach der Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub zahlt, ist steuerfrei (§ 3 Nr. 9 EStG).
Sachverhalt
Die Klägerin, eine kaufmännische Angestellte, hatte nach der Geburt ihres Kindes Erziehungsurlaub für 3 Jahre bis zum 19.12.1999 genommen. Der Arbeitgeber hatte ihr aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung zugesagt, sie nach ihrer Rückkehr wieder zu gleichen Bedingungen einzustellen. Drei Monate vor Ablauf des Erziehungsurlaubs verzichtete die Klägerin auf Wunsch des Arbeitgebers auf die Weiterbeschäftigung. Der Arbeitgeber sagte ihr jedoch eine Wiedereinstellung nach Ablauf von vier weiteren Jahren zum 20.12.2003 zu. Als Ausgleich für die mit dem Verzicht verbundenen Nachteile erhielt die Klägerin im Streitjahr 2003 eine Abfindung, die vom Arbeitgeber dem vollen Lohnsteuerabzug unterworfen wurde. Im Veranlagungsverfahren begehrte die Klägerin die ermäßigte Besteuerung gemäß § 3 Nr. 9 und § 24 Nr. 1a, § 34 EStG. Im Einspruchsverfahren gewährte das Finanzamt die ermäßigte Besteuerung nach § 24 Nr. 1a, § 34 EStG, lehnte jedoch den Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG ab.
Entscheidung
Das FG gab der Klage statt. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG lägen im Streitfall vor, denn die Abfindung sei wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses gezahlt worden. Es läge kein Ausgleich für den Verzicht auf die Wiedereinstellungszusage vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei zunächst aufgelöst und später wieder neu begründet worden.
Hinweis
Das Urteil des FG ist nicht rechtskräftig (Az. beim BFH: XI R 16/07). Im Revisionsverfahren geht es vor allem um die Problematik der Anwendbarkeit des § 3 Nr. 9 EStG im Zusammenhang mit Wiedereinstellungszusagen. Fraglich ist, ob das Arbeitsverhältnis durch die Verlängerung des Erziehungsurlaubs um vier weitere Jahre (Sonderurlaub) tatsächlich aufgelöst worden ist, und ob der Sozialzweck des § 3 Nr. 9 EStG noch erfüllt ist, wenn der Arbeitnehmer - wie im Streitfall - bereits im Zeitpunkt der Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses die Wiedereinstellungszusage beim selben Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt erhalten hat.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil vom 19.04.2007, 6 K 2643/05