Leitsatz
1. Veranstalter von Glücksspielen können sich unmittelbar auf die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL in dem Sinn berufen, dass die Vorschrift des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG 1980 keine Anwendung findet (Anschluss an EuGH, Urteil vom 17.2.2005, Rs. C-453/02 – Edith Linneweber – und Rs. C-462/02 – Savvas Akriditis –; BFH, Urteile vom 12.5.2005, V R 7/02, BFH-PR 2005, 378 und vom 19.5.2005, V R 50/01). Dies gilt für Glücksspiele aller Art, auch wenn sie unerlaubt betrieben werden.
2. Die Spielumsätze sind grundsätzlich dem Inhaber der Spielkasinokonzession zuzurechnen. Fungiert dieser als "Strohmann" für einen Dritten ("Hintermann"), liegt ein Kommissionsgeschäft nach § 3 Abs. 11 UStG 1980 vor, mit der Folge, dass sowohl die besorgte Leistung (die Umsätze des Konzessionsinhabers an die Spieler) als auch die Besorgungsleistung (die – fingierten – Umsätze des "Hintermanns" an den Konzessionsinhaber) als steuerfrei behandelt werden können.
Normenkette
§ 4 Nr. 9 Buchst. b, § 3 Abs. 11 UStG 1980, Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger betrieb in einem "Spielkasino" die Glücksspiele "Roulette" und "Black Jack", die dort nicht zugelassen waren. Inhaber der Spielkasinokonzession war nicht der Kläger, sondern ein Dritter (D).
Das FA behandelte den Kläger als "Inhaber bzw. wirtschaftlichen Betreiber" und setzte gegen ihn die USt fest. Die Klage hatte Erfolg; die Revision des FA nicht.
Entscheidung
Dem Leitsatz ist – fast – nichts hinzuzufügen. Für den Streitfall bedeutet er: Der Konzessionsinhaber K ist so zu behandeln, als ob er seine Umsätze an die Spieler von dem Kläger erhalten hätte, als ob also der Kläger an K Spielumsätze ausgeführt hätte. Da die Umsätze des K an die Spieler steuerfrei sind, gilt dasselbe für die entsprechenden (fingierten) Umsätze des Klägers an K.
Hinweis
1. Zur Steuerfreiheit von Glücksspielen ist durch EuGH und BFH bereits alles gesagt (ausführlich BFH, Urteil vom 21.4.2005, V R 16/04, BFH-PR 2005, 330 und BFH, Urteil vom 12.5.2005, V R 7/02, BFH-PR 2005, 378): Die Veranstalter von Glücksspielen können sich für die Steuerfreiheit ihrer Glücksspiele unmittelbar auf Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-RL berufen.
2. Bei konzessionsgebundenen Geschäften ist deshalb grundsätzlich der Konzessionsinhaber – in aller Regel der zivilrechtliche Vertragspartner seiner Kunden – als leistender Unternehmer anzusehen, denn regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Führt ein Konzessionsinhaber (K) das Unternehmen im Auftrag und für Rechnung (Geschäftsbesorgung) eines Dritten (D), sind die Grundsätze der Leistungskommission (§ 3 Abs. 11 UStG) zu beachten:
Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht. Das ist zwar die heutige Fassung des § 3 Abs. 11 UStG, bei richtlinienkonformer Auslegung des "alten"§ 3 Abs. 11 UStG 1980 galt aber nichts anderes. Das bedeutet konkret: D hat den Konzessionsinhaber (K = Kommissionär) zur Erbringung der Spielumsätze eingeschaltet; K hat die Spielumsätze im eigenen Namen, aber im Auftrag des D (Kommittent) für dessen Rechnung ausgeführt. Nach der Fiktion des § 3 Abs. 11 UStG erbringt der Auftraggeber = Kommittent (D) dieselbe Leistung (Spielumsätze an Spieler) seinerseits an den Auftragnehmer = Kommissionär (K).
Beachten Sie: Die Geschäftsbesorgungsleistung gegenüber dem Auftraggeber (Leistung K an D) tritt als solche nicht in Erscheinung (keine Rechnung K an D).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.9.2005, V R 52/01