Leitsatz
Die Rechtsprechung, nach der gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisforderungen erst im Zeitpunkt ihrer Realisation zu einem Veräußerungsgewinn führen, gilt auch für Veräußerungsgewinne nach § 8b Abs. 2 KStG.
Normenkette
§ 8b Abs. 2, Abs. 3, § 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Jahr 1998 gegründet. Sie hielt eine Beteiligung an der A‐GmbH in Höhe von 75,2 % des Stammkapitals. 1999 veräußerte die Klägerin davon 75 % an die B‐GmbH als Käuferin.
Der Kaufpreis setzte sich aus einem sofort zahlbaren fixen Betrag und einem "variablen Kaufpreis" zusammen. Letzterer bemaß sich nach der Summe der unter Punkt 2 Nr. 4 des Kaufvertrages detailliert aufgeführten Einzelpreise für jedes dort benannte System. Hiervon war ein Teilbetrag als Vorauszahlung sofort zahlbar. Der variable Kaufpreis richtete sich nach den tatsächlich verkauften Einheiten bis zum Jahr 2025 und wurde monatlich von der B‐GmbH abgerechnet und gezahlt.
Die monatlichen variablen Kaufpreisraten der Anteilsveräußerung aus dem Jahr 1999 wurden zunächst als Forderungseingang verbucht und anschließend mit der Vorauszahlung verrechnet. Nach Überzahlung des garantierten variablen Kaufpreises (März 2003) wurden die Zahlungen der B‐GmbH bei der Klägerin als Erlös erfasst.
Die Klägerin ließ in ihrer Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2009 die "Erträge variabler Kaufpreisanteil" aus der Veräußerung der Anteile an der A‐GmbH gemäß § 8b KStG außer Ansatz.
Das FA folgte dem nicht. Es ging davon aus, dass der von der Klägerin als steuerbefreit erklärte inländische Gewinn als steuerpflichtig zu berücksichtigen sei, da es sich um Zahlungen aus dem Anteilsverkauf des Jahres 1999 handele, auf die § 8b KStG keine Anwendung finde.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (FG Hamburg, Urteil vom 19.9.2016, 6 K 67/15, Haufe-Index 9884551, EFG 2016, 1987).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der BFH hat mit der Besprechungsentscheidung zu einer weiteren Einzelfrage die im Wesentlichen zu § 16 EStG entwickelte Dogmatik der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf § 8b Abs. 2 KStG übertragen.
2. Der Körperschaftsteuersenat des BFH hat in der jüngeren Vergangenheit bereits wiederholt die zu §§ 16 und 17 EStG entwickelten Rechtsgrundsätze auf die Veräußerungsgewinnbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG übertragen (z.B. BFH, Urteil vom 22.12.2010, I R 58/10, BFH/NV 2011, 711, BStBl II 2015, 668; BFH, Urteil vom 12.3.2014, I R 55/13, BFH/NV 2014, 1329, BStBl II 2015, 658). Der Grund lag im Wesentlichen darin, dass sowohl die genannten einkommensteuerrechtlichen Vorschriften als auch § 8b Abs. 2 KStG an einen Einmalvorgang anknüpfen, der eine stichtagsbezogene Gewinnermittlung erfordert. Diese strukturelle Ähnlichkeit der Besteuerungstatbestände rechtfertigt daher eine weitgehend übereinstimmende Behandlung der Veräußerungsvorgänge.
3. Nunmehr hatte der BFH zu entscheiden, ob dieser Gleichlauf auch dann gilt, wenn ein (variabler, weil vom Absatz bestimmter technischer Geräte abhängiger) Anteilsveräußerungskaufpreis zeitlich gestreckt entrichtet wird. Besondere Bedeutung erlangte die Frage im Streitfall deshalb, weil es um eine im Jahr 2009 zugeflossene Kaufpreisrate ging, der Kaufvertrag aber bereits im Jahr 1999 abgeschlossen worden war und in diesem Jahr die Vorschrift des § 8b KStG noch gar nicht existierte.
4. Der BFH stellt im Anschluss an die allgemeine §-16-EStG-Dogmatik zunächst fest, dass auch der Gewinn aus der Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils im Zeitpunkt des Übergangs der wirtschaftlichen Inhaberstellung unabhängig davon entsteht, ob der vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt.
5. Sodann überträgt der BFH die ebenfalls in der allgemeinen §-16-EStG-Dogmatik anerkannte Sonderbehandlung der gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderung in den Regelungsbereich des § 8b KStG: Zwar ist der Veräußerungsgewinn regelmäßig stichtagsbezogen auf den Veräußerungszeitpunkt zu ermitteln. Das wäre im Streitfall das Jahr 1999. Für Fälle der gewinn- oder umsatzabhängigen Kaufpreisforderungen ist hingegen auf die Realisation des Veräußerungsentgelts abzustellen, da der Veräußerer die Gewinne erst im Zuflusszeitpunkt erzielt. Das wäre im Streitfall das Jahr 2009.
6. Damit konnte der Anwendung der Steuerbefreiung gemäß § 8 Abs. 2 KStG auf die im Jahr 2009 zugeflossene Kaufpreiszahlung allenfalls noch die zeitliche Anwendungsbestimmung des § 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG entgegengehalten werden. Danach galt § 8b Abs. 2 KStG erst ab dem Jahr 2002. Der Kaufvertrag wurde zwar vor diesem Zeitpunkt geschlossen, die streitigen Zahlungen sind aber in 2009 zugeflossen und der Gewinn ist damit erst zu diesem Zeitpunkt entstanden. Und allein hierauf stellt laut BFH der § 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG ab.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.12.2018 – I R 71/16