Leitsatz
Das FA kann die ESt einer Mitunternehmerin nicht gegenüber dem Konkursverwalter der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft als Massekosten geltend machen.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 57, § 58 Nr. 2, 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, § 69 AO
Sachverhalt
Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der R-OHG. Für die Zeit nach Konkurseröffnung reichte der Kläger für bei der OHG erwirtschaftete Erträge Feststellungserklärungen ein. Für das Streitjahr entfiel laut Feststellungsbescheid des FA ein Gewinnanteil auf die Gesellschafterin E, die sich ebenso wie die beiden anderen persönlich haftenden Gesellschafter der OHG im persönlichen Konkurs befand. Das Wohnsitz-FA der E machte gegenüber dem Kläger die auf die Beteiligungseinkünfte entfallende ESt als Massekosten i.S.v. § 58 KO geltend.
Das FG wies die dagegen gerichtete Klage des Konkursverwalters ab (FG München, Urteil vom 06.07.2004, 12 K 2518/03, Haufe-Index 1212921, EFG 2004, 1851).
Entscheidung
Der BFH hob sowohl das FG-Urteil als auch den Bescheid des FA auf, da die Konkursmasse einer Mitunternehmerschaft als solche einkommensteuerrechtlich kein selbstständiges Steuerrechtssubjekt ist. Damit kann auch kein "Leistungsbescheid über ESt" gegen sie gerichtet werden.
Hinweis
Der in der Praxis nicht selten vorkommende Besprechungsfall zeigt, dass das Konkursrecht und das ESt-Recht nicht aufeinander abgestimmt sind.
1. Nach Konkurseröffnung begründete Steueransprüche, die als Massekosten oder Masseschulden zu qualifizieren sind, sind gegen den Konkursverwalter festzusetzen und von diesem vorweg aus der Konkursmasse zu befriedigen. Eine Belastung der Konkursmasse durch Steuern ergibt sich regelmäßig aus den durch den Konkursverwalter nach Konkurseröffnung getätigten Geschäften. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die auf den nach der Konkurseröffnung erzielten Gewinnen beruhende ESt jedenfalls dann als Massekosten i.S.d. § 58 Nr. 2 KO anzusehen ist, wenn die den Gewinnen entsprechenden Vermögensmehrungen zur Konkursmasse gelangt sind.
2. Diese Grundsätze können jedoch im Fall des Konkurses einer Mitunternehmerschaft nur mit den sich aus den Besonderheiten der Mitunternehmerbesteuerung ergebenden Unterschieden gelten. In diesem Fall ist der auf Einkünften aus der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft beruhende ESt-Bescheid nicht gegen den Konkursverwalter der Mitunternehmerschaft zu richten, sondern ggf. gegen den Konkursverwalter über das Vermögen des Mitunternehmers.
3. Grund dafür ist die Systematik des ESt-Rechts. Die Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ist einkommensteuerrechtlich lediglich Gewinnerzielungssubjekt, nicht aber Steuersubjekt.
4. Diese steuerliche Zuordnung und Erfassung von Einkünften wird durch die Vorschriften der Konkursordnung und der Insolvenzordnung nicht verändert, weder bei einem Konkurs über das Vermögen der Mitunternehmerschaft noch bei einem Konkurs über das Vermögen eines Mitunternehmers noch in dem Fall, in dem sowohl über das Vermögen der Mitunternehmerschaft als auch über das des Mitunternehmers Konkurs eröffnet worden ist.
5. Die steuerrechtliche Zuordnung hat zur Folge, dass von der im Konkurs befindlichen Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinne den Masse- und Konkursgläubigern zur Verfügung stehen, während steuerrechtlich diese Gewinne den Gesellschaftern zugerechnet werden. Dieser auf den ersten Blick erstaunliche und auf den steuerlichen Grundsätzen beruhende Befund kann mit der folgenden Überlegung gerechtfertigt werden: Bei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern kommen die auf der Ebene der – im Konkurs befindlichen – OHG erzielten Gewinne dem Gesellschafter haftungsmindernd zugute. Dann kann auch der Gesellschafter die auf seinen Gewinnanteil entfallende ESt selbst zahlen. Eine Inanspruchnahme des Konkursverwalters der insolventen Mitunternehmerschaft kommt daneben nicht in Betracht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 05.03.2008, X R 60/04