Leitsatz
Hat der Erblasser vermächtnisweise angeordnet, einem von drei Miterben ein dingliches Vorkaufsrecht an einem im Nachlass befindlichen Grundstück zu bestellen, das hälftig den beiden anderen Miterben vermacht worden ist, und hat der Vorkaufsberechtigte sein Recht ausgeübt, ist der dadurch zustande gekommene Erwerbsvorgang weder nach § 3 Nr. 2 GrEStG noch nach Nr. 3 der Vorschrift grunderwerbsteuerfrei.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nrn. 2 und 3 GrEStG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, § 1094 Abs. 1, § 2174 BGB
Sachverhalt
Die Erblasserin hatte die Klägerin und deren Geschwister zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Den beiden Geschwistern war darüber hinaus das Wohnhaus im Voraus zu hälftigem Miteigentum vermacht worden. Der Klägerin sollte für den ersten Verkauf dieses Grundstücks durch die Geschwister ein dingliches Vorkaufsrecht zustehen. Als nach dem Tod der Erblasserin 2003 und Übertragung des Grundstücks auf die beiden Geschwister diese das Grundstück weiterverkaufen wollten, nahm die Klägerin ihr zwischenzeitlich eingetragenes Vorkaufsrecht wahr.
Das FA sah darin einen steuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Ansicht, es liege ein nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfreier Erwerb von Todes wegen vor.
Entscheidung
Der BFH folgte – wie bereits das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.2007, 2 K 128/05, Haufe-Index 1721011, EFG 2007, 950) – dem FA. Das zugunsten der Klägerin angeordnete Vermächtnis sei spätestens mit der Eintragung des Vorkaufsrechts im Grundbuch erfüllt worden, ohne dass damit bereits ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 GrEStG verbunden gewesen wäre. Der mit der Ausübung des Vorkaufsrechts bewirkte Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei erst nach dem vermächtnisweisen Erwerb von Todes wegen erfolgt.
Hinweis
Ist ein dingliches Vorkaufsrecht an einem zum Nachlass gehörigen Grundstück vermacht, besteht der Erwerb des Vermächtnisnehmers von Todes wegen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 2174 BGB lediglich aus einem Anspruch auf Bestellung des Vorkaufsrechts und nicht etwa aus einem Anspruch auf Übereignung des Grundstücks, bzgl. dessen das Vorkaufsrecht bestellt werden soll. Darin liegt unter dem Gesichtspunkt einer Befreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG für den Erwerb durch Ausübung des Vorkaufsrechts der wesentliche Unterschied zum Erwerb durch Ausübung des Ankaufsrechts aus einem Kaufrechtsvermächtnis.
Entscheidet sich der Berechtigte aus einem Kaufrechtsvermächtnis für den Kauf des Grundstücks, kommt der auf die letztwillige Verfügung des Erblassers – und damit auf ein Rechtsgeschäft – zurückzuführende und mit dessen Tod zunächst aufschiebend bedingt entstehende Anspruch auf Übereignung des Grundstücks zum Tragen, worin i.V.m. § 14 Nr. 1 GrEStG ein nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbarer Erwerbsvorgang zu sehen ist. Dieser Übereignungsanspruch bildet den Erwerbsgegenstand sowohl für den Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als auch für den Erwerb i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Dies hat zur Folge, dass Letzterer gem. § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit ist. Ein Vorbehalt ist dabei lediglich insoweit zu machen, als noch nicht entschieden ist, ob die Befreiungsnorm auch dann eingreift, wenn der Vermächtnisnehmer das Grundstück zum Verkehrswert erwerben muss.
Demgegenüber decken sich die Erwerbsgegenstände des vermachten Vorkaufsrechts – nämlich der Anspruch auf dessen Bestellung – und des grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Erwerbsvorgangs – nämlich der durch die Ausübung des Vorkaufsrechts entstandene Übereignungsanspruch – nicht. Dies kann schon deshalb nicht anders sein, weil die beiden Erwerbsvorgänge zeitlich auseinanderfallen. Der Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG folgt dem Erwerb von Todes wegen nach. Dazwischentreten muss überdies die Entscheidung desjenigen, dem das Nachlassgrundstück zugefallen ist, es zu veräußern und damit den Vorkaufsfall auszulösen. Angesichts dieser zeitlichen Abfolge scheidet auch eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrESG (Erwerb durch Miterben zur Teilung des Nachlasses) aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.10.2008 – II R 15/07