Leitsatz
Für die Frage der Steuerschädlichkeit wegen Übersicherung ist nicht auf den Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung abzustellen, sondern auf die in den Anzeigen nach § 29 Abs. 1 EStDV „eingesetzten Versicherungsansprüche”, d.h. auf den Nominalbetrag der Versicherung.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute. Im Juni 2000 erwarben die Kläger ein als Einfamilienhaus bewertetes Objekt. 164 m2; des Hauses (ca. 48 % der Gesamtfläche) vermietete die Klägerin an ihren Ehemann zum Betrieb einer Arztpraxis. Im Übrigen (ca. 52 % der Gesamtfläche) nutzen die Kläger das Haus zu eigenen Wohnzwecken. Die Anschaffungskosten von insgesamt 486 969 DM finanzierten sie mit einem Bankdarlehen über insgesamt 599 999 DM, ausgezahlt wurden hiervon 499 999 DM.
Zur Sicherung der Darlehensforderung traten die Kläger Versicherungsansprüche i.H.v. insgesamt 627 378 DM aus drei Lebensversicherungen an die darlehensgewährende Bank ab.
Nach Anzeigen der Bank nach § 29 Abs. 1 EStDV vertrat das beklagte FA die Auffassung, hinsichtlich der Versicherungen seien die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht gegeben. Daher stellte es mit Feststellungsbescheiden vom 26. und 28.02.2002 die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Versicherungsbeiträgen enthaltenen Sparanteilen gesondert fest.
Die von den Klägern gegen das klageabweisende Urteil des FG eingelegte Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Entscheidung
Zu Recht habe das FG angenommen, dass die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs nicht erfüllt seien. Die Ansprüche aus den drei genannten Versicherungsverträgen hätten zur Sicherung eines Darlehens gedient, dessen Finanzierungskosten, jedenfalls soweit sie auf die vermietete Gebäudefläche entfielen, Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung seien. Jedoch liege keiner der in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG aufgeführten Ausnahmetatbestände vor.
Zwar hätten die Kläger als Darlehensnehmer unmittelbar die Anschaffungskosten eines Hauses finanziert, dass hinsichtlich der Vermietung des als Arztpraxis genutzten Gebäudeteils zur Vermietung und damit dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt gewesen sei. Indes habe es nicht ausschließlich der Finanzierung dieser Anschaffungskosten gedient, weil mit ihm auch die Anschaffung des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäudeteils erfolgt sei. Insbesondere aber überstiegen die zur Sicherung verwendeten Lebensversicherungsansprüche die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungskosten deutlich um mehr als 5 000 DM. Es liege eine Übersicherung von mehr als 140 000 DM vor.
Abzustellen sei auf die Nominalbeträge der Ansprüche aus den Versicherungsverträgen und nicht auf die niedrigeren Rückkaufswerte.
Selbst wenn man der klägerischen Auffassung folgen würde, nämlich auf die Rückkaufswerte der Versicherungen abzustellen, könnte der Klage auch deshalb nicht stattgegeben werden, weil das Darlehen teilweise auf ein Festgeldkonto ausgezahlt worden sei und die Anschaffungskosten sodann von diesem Konto -- teilweise -- noch außerhalb der 30-Tages-Regelung gem. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118 Rd.Nr. 53 (dazu BFH, Urteil vom 04.07.2007, VIII R 46/06, BFH-PR 2008, 9) beglichen worden seien. Bei einer zwischenzeitlichen Festgeldanlage der Darlehensmittel fehle es indes an einer unmittelbaren Darlehensverwendung i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG.
Hinweis
1. Die Entscheidung ist weiterhin für eine Vielzahl von Altverträgen Bedeutung, da durch das Alterseinkünftegesetz§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG erst für nach dem 31.12.2004 abgeschlossene Neuverträge inhaltlich geändert worden ist (vgl. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG; dazu Risthaus, DStZ 2007, 30 f.).
2. Grundsätzlich waren bei Altverträgen außerrechnungs- und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig.
Ausnahmsweise waren die Zinsen steuerbefreit, wenn die Beiträge zu den Versicherungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG abziehbar waren (grundlegend BFH, Urteil vom 13.07.2004, VIII R 48/02, BFH-PR 2004, 469, ständige Rechtsprechung).
3. Im Streitfall allein einschlägig ist die Alternative, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und dass die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen.
4. In diesem Fall gilt eine sog. Bagatellgrenze, das heißt steuerunschädlich ist es, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprü...