Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Stellt eine Zeitung den Abonnenten der Printausgabe ohne gesondertes Entgelt zusätzlich auch einen elektronischen Zugang zu den E-Paper-Ausgaben zur Verfügung, liegen umsatzsteuerlich zwei eigenständige Leistungen vor. In den Streitjahren 2009-2012 unterliegt die Lieferung der Print-Ausgaben dem ermäßigten Steuersatz und die Zurverfügungstellung des Zugangs zum E-Paper dem Regelsteuersatz. Das Gesamtentgelt ist deshalb aufzuteilen.
Sachverhalt
Im Streitzeitraum 2009-2012 wurden die Zeitungen des klagenden Verlags in Printform, und auch als inhaltsgleiches E-Paper im pdf-Format herausgegeben. Möglich war auch nur ein Abonnement des E-Papers. Die Print-Abonnenten konnten im Streitzeitraum auf das E-Paper ohne weitere Zuzahlung zugreifen. Später mussten die Print-Abonnenten für das E-Paper eine zusätzliche Zahlung entrichten. Die Klägerin unterwarf im Streitzeitraum das Gesamtentgelt dem für Druckerzeugnisse (z. B. Zeitungen) geltenden ermäßigten Steuersatz von 7 % Das Finanzamt sah jedoch in der Zurverfügungstellung eines elektronischen Zugangs zum E-Paper neben dem Print-Abonnement eine eigenständige Leistung, auf die der Regelsteuersatz (19 %) Anwendung finde (entsprechend BMF, Schreiben v. 28.11.2013, IV D 2 - S 7200/13/10004, BStBl 2013 I S. 1594). Wegen der unterschiedlichen Steuersätze teilte das Finanzamt das Gesamtentgelt auf.
Erst ab Inkrafttreten von § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG zum 18.12.2019 unterliegt auch der Zugang zum E-Paper dem ermäßigten Steuersatz.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG stellt die Zurverfügungstellung des E-Papers im streitigen Zeitraum 2009-2012 eine eigenständige dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung dar.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist auf die Lieferung von Büchern und Zeitschriften der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden. Der mit dem Jahressteuergesetz 2019 eingeführte ermäßigte Steuersatz auf E-Paper gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG (neue Fassung) gilt erst ab dem 18.12.2019. Für die hier streitigen Zeiträume 2009-2012 sieht das UStG für Umsätze mit E-Paper mangels Ausnahmevorschrift den Regelsteuersatz von 19 % vor.
Die Möglichkeit des elektronischen Konsums ist nach Auffassung des FG ein völlig anderer Leistungsgegenstand als die Lieferung einer Zeitung in Papierform. Während letztere ein physisch erfassbares Produkt darstellt, an dem Besitz und Eigentum übertragen werden kann, erfülle ersteres nur die Merkmale einer sonstigen Leistung durch Zurverfügungstellung von Informationen auf einem elektronischen Medium.
Aus der Sicht des Verlags geht es zwar in erster Linie um die Zurverfügungstellung journalistischer Inhalte und nicht um das dabei eingesetzte Medium. Nach Auffassung des FG kommt es jedoch allein auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers an. Für diesen habe der Erhalt einer Zeitung einen anderen verbrauchsfähigen materiellen Gehalt als die Zurverfügungstellung von elektronischen Informationen. So sei der elektronische Zugang flexibler handhabbar als die physische Zeitungslieferung (so etwa im Urlaub oder bei Nutzung durch andere Familienmitglieder).
Das FG sieht die Zurverfügungstellung des E-Papers auch nicht als steuerlich unbeachtliche und das Schicksal der Hauptleistung teilende Nebenleistung zur Zeitungslieferung an. Es sei insoweit nicht erkennbar, dass die Einzelleistungen des Verlags für den Kunden so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bildeten, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Das FG sieht mit Verweis auf den EuGH, Urteil v. 7.3.2017, C-390/15 (RPO), auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Printausgabe und E-Paper. Bei unterschiedlich zu besteuernden Leistungen zu einem pauschalen Gesamtverkaufspreis ist das einheitliche Entgelt sachgerecht aufzuteilen. Zwar ist die Aufteilung anhand der jeweiligen Einzelverkaufspreise die einfachste Berechnungsmethode (vgl. BFH, Urteil v. 3.4.2013, V B 125/12, BStBl 2013 II S. 973), dies würde jedoch für den Verlag zu einem ungünstigen Ergebnis führen. Deshalb orientierte sich das Finanzamt an für Print-Kunden zu späterer Zeit für den E-Paper-Zugang berechneten Preisen und legte dabei einen Mittelwert von 1,99 EUR zugrunde. Daher liege insoweit keine rechtswidrige Benachteiligung der Klägerin vor.
Hinweis
Im Hinblick auf den ab 18.12.2019 geltenden § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG ist das Urteil für die Praxis unbefriedigend. Abzuwarten bleibt, wie der BFH die Revision, Az beim BFH XI R 29/23,
wegen der Frage, ob das E-Paper eine "unselbstständige Leistung" zur Print-Lieferung ist, entscheidet.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid v. 22.08.2023, 1 K 1270/21