7.1 Verletzung der Aufsichtspflicht/Organisationsverschulden in Betrieben und Unternehmen
Täter können Inhaber von Betrieben oder Unternehmen, gesetzliche Vertreter einer juristischen Person bzw. vertretungsberechtigte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft oder Personen sein, die beauftragt sind, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten. Die Tathandlung besteht in einer Aufsichtspflichtverletzung oder einem Organisationsverschulden, wodurch es in dem Unternehmen zu einer Zuwiderhandlung gegen betriebliche Pflichten – wozu auch die steuerlichen Pflichten zählen – gekommen ist. Die Aufsichtspflichtverletzung oder das Organisationsverschulden setzen lediglich einfache Fahrlässigkeit voraus. § 130 OWiG stellt somit einen Auffangtatbestand dar. Rechtsfolge ist die Verhängung eines Bußgeldes gegen den Inhaber, gesetzlichen Vertreter etc.
Organisationsverschulden im Betrieb
Ein EDV-Programm sieht einen völlig veralteten Steuersatz für die Lohnsteuer-Pauschalierung vor. Der Steuerpflichtige oder sein Berater müssen den aktuellen Satz eingeben. Geschieht dies nicht, so kommt es programmbedingt zu Steuerverkürzungen. Dies wird in einer Lohnsteuer-Außenprüfung aufgedeckt.
Es kommt in Betracht, das Mehrergebnis unter dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens zu ahnden, eventuell eine Geldbuße gegen das Unternehmen zu verhängen. Ein Unternehmer, der sich zur Erfüllung seiner Erklärungspflichten technischer Hilfsmittel bedient, muss sich über deren Funktionsweise informieren und durch geeignete organisatorische Maßnahmen und Weisungen sicherstellen, dass zutreffende Erklärungen bzw. Lohnsteuer-Anmeldungen erstellt werden. Kümmert er sich darum nicht oder nicht in ausreichender Weise und kommt es hierdurch – u. U. jahrelang – zu Steuerverkürzungen, so liegt Fahrlässigkeit, Leichtfertigkeit oder sogar bedingter Vorsatz vor.
7.2 Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen
Geldbußen können gegen juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften verhängt werden. Dies kann dann geschehen, wenn Organe der juristischen Person oder vertretungsberechtigte Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft, Generalbevollmächtigte oder Prokuristen Zuwiderhandlungen gegen betriebliche Pflichten begehen, z. B. ihren Aufsichtspflichten nicht genügen oder organisatorische Mängel verschulden, wodurch es zur Verletzung steuerlicher Pflichten kommt.
Geldbuße gegen juristische Personen
Da die Geldbuße gem. § 30 Abs. 1 OWiG gegen die juristische Person/Personenhandelsgesellschaft nur zusätzlich neben einem Bußgeld gegen die natürliche Person in Betracht kommt, (sog. Nebenfolge) ist aus der Sicht des Verteidigers die Vorschrift des § 30 Abs. 4 OWiG interessanter.
§ 30 Abs. 4 OWiG ermöglicht es, die Geldbuße gegen die juristische Person im selbstständigen Verfahren zu verhängen. Tatbestandliche Voraussetzung ist, dass das Bußgeldverfahren gegen die natürliche Person eingestellt oder ein solches erst gar nicht eingeleitet wurde.
Bußgeldverfahren gegen GmbH
Der Betroffene erklärt, sich bei einem Personalbestand von ca. 300 Personen nicht um alle betrieblichen Angelegenheiten selbst kümmern zu können. Er sei zwar als Geschäftsführer verantwortlich, sein persönliches Verschulden erscheine jedoch seiner Meinung nach noch als geringfügig. Die BuStra-Stelle sieht von der Fortsetzung des Bußgeldverfahrens wegen § 130 OWiG nach § 47 Abs. 1 OWiG ab und leitet ein Bußgeldverfahren gem. § 30 Abs. 4 OWiG gegen die GmbH ein.
Rechtsfolge ist die Festsetzung einer Geldbuße mit selbstständigem Bußgeldbescheid gegen die juristische Person (§ 88 Abs. 2 OWiG). Ein Schuldvorwurf gegenüber einer bestimmten natürlichen Person unterbleibt.
Alternative Verfahrensbeendigungen bei juristischen Personen
Verteidiger in Steuerstrafsachen sind häufig recht schnell bereit, Verfahrenseinstellungen nach § 153a StPO zu akzeptieren. Im Strafverfahren gegenüber gesetzlichen Vertretern von juristischen Personen (insbesondere Geschäftsführern von GmbH) oder Personenhandelsgesellschaften kann der Verteidiger jedoch u. U. mit den §§ 130 und 30 OWiG alternative Verfahrensbeendigungen ins Gespräch bringen.
Diese Vorschriften sind auch in BuStra-Stellen häufig nahezu unbekannt. Verfahrensabschlüsse nach einer dieser Vorschriften kommen in Verfahren gegen Geschäftsführer, Vorstände etc. insbesondere deshalb in Betracht, weil es den Ermittlungsbehörden obliegt, für den Vorwurf der Steuerhinterziehung oder der leichtfertigen Steuerverkürzung Vorsatz oder Leichtfertigkeit nachzuweisen. Vorsatz und Leichtfertigkeit stellen aber schwere Schuldformen dar, die entsprechend strengen Anforderungen an den strafrechtlichen Nachweis zu genügen haben. Insbesondere dann, wenn Steuerzuwiderhandlungen in großen Unternehmen, z. B. in den Rechtsformen der GmbH oder AG, festgestellt werden, wird es aufgrund der dort herrschenden Arbeitsteilung und komplexen Organisationsstruktur häufig schwierig, bestimmten Personen leichtfertiges oder gar vorsätzliches Verhalten nachzuweisen. Die Bestimmungen der §§ 370, 378 ff. AO erweisen sich dan...