Ronald Herse, Dirk Jessenberger
Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen
Die Idee, dass man die Zukunft eines "Ecosystems" mithilfe von Simulationen vorhersagen kann, hat sich als falsch erwiesen. Tiefere Analysen mittels Expertenwerkzeugen führen nur dazu, dass man sich am Ende noch genauer irrt. Prognosemodelle sind eine Blackbox mit Glaubwürdigkeitsproblemen, da sie die Komplexität und Dynamik der realen Welt nicht abbilden können.
Stattdessen setzt man auf Szenarien, die das Denken in möglichen Zukunftsbildern fördern. Dabei geht es nicht um reine Prognosen, sondern um einen Prozess, der das Ziel hat, das Unternehmen auf einen gemeinsamen Pfad einzuschwören. Aus der Vernetzung der richtigen Inhalte aus der Strategie – qualitative wie auch quantitative – entstehen Zukunftsbilder, mit denen wir arbeiten und uns besser auf mögliche Folgen für unser Geschäft einstellen können. Das sensibilisiert unsere Antennen für Unvorhergesehenes und schärft den Blick auf die zugrunde liegenden Annahmen über das unternehmerische Umfeld.
Das aktive Auseinander setzen mit potenziellen Zukünften macht den Unterschied, weil…
- …zukünftige Herausforderungen und Chancen vorausschauend vorbereitet und geeignete Maßnahmen über einen längeren Zeitraum entwickelt werden müssen. Hierzu sind Planungs- und Kontrollprozesse notwendig;
- …alternative und abgestimmte Zielbilder, die Verarbeitung aller vorhandenen und relevanten Informationen und nachvollziehbare Entscheidungen zu einem Wettbewerbsvorteil führen können;
- …Risikomanagement hilft, präventive oder minimierende Maßnahmen zu ergreifen und
- …sinnstiftendeZiele die Motivation und das Engagement von Mitarbeitern fördern, damit sich Mitarbeiter optimal einbringen können, um gemeinsam an einem großen Ganzen zu arbeiten.
Die Beschreibung von Szenarien basiert in der Regel auf den Dimensionen Ziele (für Unternehmen und / oder Märkte), Pläne und Annahmen aus dem Umfeld. Diese sind miteinander verknüpft und wirken wechselseitig.
Bei Zielen ist es wichtig, dass diese eindeutig, klar verständlich und anhand von Kriterien messbar, im Minimum aber beurteilbar sind. In der Praxis kann es vorkommen, dass es sogenannte Minimumziele gibt, die in jedem Szenario erreicht werden müssen. Wenn es zu einem Ausschluss aufgrund dieser Minimumziele kommt, können einzelne Szenarien aus dem sogenannten Lösungsraum herausfallen. Lösungsräume schränken die Anzahl von möglichen Szenarien ein, weil z. B. bestimmte Märkte oder Technologien nicht zugänglich oder nicht gewünscht sind oder es Investitions- oder Ressourcenbeschränkungen gibt. Mittels zu definierender Maßnahmen kann an einer Öffnung eines Lösungsraums gearbeitet werden, diese müssen aber bei der Entwicklung von Szenarien explizit berücksichtigt werden.
Bei der Bildung von Szenarien gibt es in der Praxis einige Dinge zu beachten. Da es in der Regel verschiedene Ziele gibt, wie zum Beispiel Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit oder Erschließung von neuen Märkten, können Einzelmaßnahmen und deren Annahmen wie z. B. die Produktkostensenkung um 10 % in beiden Zielen wirken. Die Herausforderung besteht darin, alle Einzelmaßnahmen, die für die Definition von Szenarien notwendig sind, abzubilden und sie mit den entsprechenden Zielen in Beziehung zu setzen – samt aller Annahmen, die damit verbunden sind.
Häufig gibt es nicht nur einen Lösungsweg zur Zielerreichung. Durch entsprechende Kombinationen von Einzelmaßnahmen können unendlich viele Szenarien entstehen, die sich in ihrer Struktur und strategischen Ausrichtung unterscheiden.
Eine der größten Stärken von moderner Software ist die Fähigkeit, komplexe und sich verändernde Datenquellen wie einen Basisplan mit weiteren Ideen, Krisenszenarien und Gegenmaßnahmen zu integrieren. Ausgehend von einer grundlegenden Planung kann man untersuchen, wie sich eine strategische Kennzahl wie das EBIT unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Überlegungen entwickelt. Im nächsten Schritt kann man ein Krisenszenario hinzufügen und dessen Auswirkungen mithilfe von Gegenmaßnahmen simulieren. Unterschiedliche Szenarien sind in Abbildung 2 beispielhaft dargestellt.
Abb. 2: Passung von strategischen Maßnahmen zu unterschiedlichen Szenarien in der ESS
Das Szenario 02 "Official Plan" enthält ein Set an Maßnahmen, das Szenario 03 "Planned Activities" wird in diesem Beispiel um eine weitere Maßnahme ergänzt. Die erwarteten Auswirkungen kann man direkt, z. B. an einer Kennzahl wie den EBIT, anzeigen lassen (S. Abb. 3 links).
Abb. 3: Simulation vor und nach Krise inkl. Gegenmaßnahmen und deren erwarteter Wirkung
In einem nächsten Schritt möchte man z. B. eine Krise und deren Auswirkungen simulieren und hier sieht man eine deutliche Ergebnisverschlechterung (04 "Energy Crisis Scenario"). In einem letzten Schritt können Gegenmaßnahmen ergriffen und somit der Ergebniseinbruch teilweise kompensiert werden. Gute Übersichten zur potenziellen Wirkung unterschiedlicher Szenarien auf relevante Ergebnisgrößen sind immer wertvoll, selbst wenn wir es mit vielen ...