Wohnungsmarkt verliert an Dynamik, nicht an Investoren
Am deutschen Wohnungsmarkt geht die Phase nahezu perfekter fundamentaler Rahmenbedingungen für Investoren zu Ende. Sie haben seit der Finanzkrise "zeitweise zu zweistelligen jährlichen Gesamtrenditen geführt – und das im wohl sichersten Segment, das der deutsche Immobilienmarkt zu bieten hat", sagt Matthias Pink, Head of Research Germany bei Savills. Trotzem geht er davon aus, dass die Rahmenbedingungen für Investoren insgesamt günstig bleiben. Die Assetklasse Wohnen wird weiterhin eine sichere Anlage sein, fasst er für den Ausblick von Savills zusammen.
Savills empfiehlt Investoren jedoch, sich auf das Szenario einer für längere Zeit überdurchschnittlich hohen Inflation vorzubereiten. "Auf Ebene der Anlageklasse verfügen Immobilien nicht über einen eingebauten Inflationsschutz", erläutert Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei Savills. Investoren könnten für ihre eigenen Objekte und Portfolios aber Maßnahmen ergreifen, um sich zu wappnen: So könnten Erträge beispielsweise durch indexierte Mietverträge abgesichert werden.
2021: Das Jahr des Wohnens
Das Jahr 2021 war ein "Jahr des Wohnens", heißt es im Savills-Ausblick. Auf mehr als 50 Milliarden Euro beläuft sich das Transaktionsvolumen im zweiten Pandemiejahr – das ist das Doppelte des bisherigen Rekordwertes aus dem Jahr 2015. Damit sind Wohnimmobilien erstmals auch die umsatzstärkste Nutzungsart, weit vor Büros und den anderen gewerblichen Immobiliensegmenten. War das der vorläufige Höhepunkt eines Comebacks der Wohnimmobilie als defensive Anlageklasse nach der Weltfinanzkrise?
Wohnimmobilien wurden laut Savills unter Investoren deshalb so beliebt, weil sie stabile Erträge mit sehr niedrigem Ausfallrisiko bieten und zudem geringe Wertschwankungen und hohe Liquidität aufweisen. Das zog im Laufe der Jahre vor allem risikoaverse Investoren an. Dazu kam, dass die Bevölkerung wuchs, die Haushaltseinkommen stiegen, die Fertigstellungszahlen aber niedrig blieben, was das Angebot verknappte und teurer machte. Alles in allem nahezu perfekte Rahmenbedingungen.
Als einzigen "Makel" in diesem Bild sieht Savills die seit 2015 zunehmende Regulierungsintensität. Doch auch die hat für risikoaverse Investierende eine positive Seite, weil sie die Knappheit im regulierten Teil des Marktes tendenziell verstärkt und dadurch die Mietentwicklung stabilisiert.
2022: Das Ende perfekter Rahmenbedingungen
Dass sich das Investitionsumfeld in den kommenden Jahren weiterhin so günstig darstellt wie bislang, bezweifeln die Researcher von Savills. Dem stehe die stark gestiegene Zahl der fertiggestellten Wohnungen pro Jahr entgegen, die sich zwischen 2009 von knapp 160.000 auf rund 300.000 in diesem Jahr erhöht habe. Diese Zahl liegt laut Savills an der Untergrenze des Korridors, der von den meisten Experten als bedarfsdeckend angesehen wird. Für einen weiteren Anstieg in den nächsten Jahren sprechen demnach zum einen die Baugenehmigungen, zum anderen die Pläne der Politik, den Wohnungsbau weiter anzukurbeln.
Während das Angebot immer schneller wächst, gilt laut Savills für die Nachfrage das Gegenteil. Seit 2015 ist das Bevölkerungswachstum wieder stetig zurückgegangen und bis 2025 prognostiziert das Statistische Bundesamt ein jährliches Bevölkerungswachstum von nur noch etwa 0,1 Prozent, heißt es in dem Ausblick. Wann und in welchem Ausmaß der Wohnungsleerstand in Folge steigen wird, hängt laut Savills unter anderem davon ab, wie viel Nachfrage sich in den vergangenen Jahren aufgestaut hat. Die Angebots-Nachfrage-Relation am Wohnungsmarkt wird sich zu Ungunsten der Investoren verschieben, schreibt Savills.
"Mit Blick auf die regulatorischen Vorgaben erwarten wir eine spürbar steigende Nachfrage nach Neubauimmobilien", ergänzt Lemli. Das dürfte im Neubausegment zu steigenden Preisen und Mieten führen. Vor allem institutionelle Investoren haben Strategien erarbeitet, wie sie ihre Portfolios ESG-konform machen.
Wohnungsknappheit: vor allem regional
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Dr. Günter Vornholz, Prof. für Immobilienökonomie an der EBZ Business School in Bochum. "In den größeren Städten, die auch als Ballungsräume, Schwarmstädte oder Wachstumsregionen bezeichnet werden, stieg in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach Mietwohnungen stärker als das Angebot an. Dies spiegelt sich in steigenden Mieten und sinkenden Leerständen wider", schreibt der Wissenschaftler in seiner Abhandlung "Wohnungsknappheit ja, aber nicht Wohnungsnot". Er analysiert darin Worte und Begrifflichkeiten, mit denen Politik gemacht und Eindrücke vom Wohnungsmarkt suggeriert werden, die so nicht gegeben sind.
Bei einer Wohnungsknappheit gibt es laut Vornholz lokal einen überdurchschnittlichen Anstieg der Mieten und die Leerstandsquote liegt unter einem Schwellenwert. Als Vergleichswert wird die Mietentwicklung in den sieben größten deutschen Städten und die Leerstandsquote von gut zwei Prozent (Fluktuationsreserve) herangezogen.
Ein anderer Indikator für Knappheit sind die Kaufpreise für Wohnimmobilien auf den Investmentmärkten. Zwischen 2005 und 2010 haben sich Preise und Mieten einigermaßen gleich entwickelt, seit 2010 sind die Preise wesentlich stärker als die Mieten angestiegen – "verursacht durch die starke Nachfrage von privaten und insbesondere institutionellen Investoren", schreibt Vornholz. Auch die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik ist mitverantwortlich, dass die Preise deutlich stärker als die Mieten gestiegen sind. Er sieht einen Anlagenotstand auf den Wohninvestmentmärkten.
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