Baugenehmigungen für Wohnungen weit unter Bedarf

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland so wenige neue Wohnungen genehmigt worden wie seit 2010 (187.600 genehmigte Wohnungen) nicht mehr. Im Vergleich zum bereits schwachen Jahr 2023 ist die Zahl der Baugenehmigungen noch einmal um 43.700 auf 215.900 Einheiten (minus 16,8 Prozent) gesunken, wie das Statistische Bundesamt am 18. Februar berichtete.
Damit sank die Zahl der Baugenehmigungen das dritte Jahr in Folge. Der Rückgang hat sich in der zweiten Jahreshälfte etwas verlangsamt. Es zeichnet sich damit jedoch ab, dass auch 2024 das von der Bundesregierung ausgegebene Jahresziel von 400.000 neuen Wohnungen verfehlt wird. Im Jahr 2023 wurden 294.400 Wohnungen fertig gebaut. Die Zahl der Fertigstellungen 2024 wird endgültig erst im Mai 2025 vorliegen.
Genehmigungen: Starker Rückgang in Mehrfamilienhäusern
Vor allem neue Einfamilienhäuser wurden der Wiesbadener Behörde zufolge 2024 seltener genehmigt als im Jahr zuvor: Die Zahl ging um 20,3 Prozent (oder 9.600 Einheiten) auf 37.900 deutlich stärker zurück als bei Zweifamilienhäusern mit einem Minus von 11,3 Prozent (1.600) auf 12.700 Wohnungen.
Diese beiden Gebäudearten werden im Allgemeinen von Privatpersonen errichtet und machen rund ein Drittel (29,4 Prozent) der im Jahr 2024 genehmigten Neubauwohnungen in Deutschland aus. Im Jahresverlauf 2024 hat sich die Zahl der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser auf niedrigem Niveau stabilisiert. Im Januar 2024 wurde mit 3.900 Genehmigungen der bisher niedrigste Monatswert seit dem Beginn der Zeitreihe 1995 gemessen. Seitdem schwankt die Zahl um einen durchschnittlichen Monatswert von zirka 4.200.
Rund zwei Drittel (66,4 Prozent) der genehmigten Neubauwohnungen in Deutschland entstehen in Mehrfamilienhäusern. Hier lag die Zahl der Baugenehmigungen 2024 gegenüber 2023 um 19,7 Prozent niedriger (minus 28.000 auf 114.200 Wohnungen).
93 Prozent der Genehmigungen für Neubauwohnungen entfielen auf Unternehmen und private Bauherren. Ihnen haben vor allem gestiegene Zinsen für Immobilienkredite und höhere Baupreise zu schaffen gemacht. Inzwischen hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinswende vollzogen, die Kreditkosten sinken tendenziell. Verbände der Immobilienbranche fordern einfachere Bauvorschriften und eine verlässliche Förderung.
Wohnungspolitik: ZIA fordert Kurs der Deregulierung
Die Immobilienwirtschaft ruft angesichts der vorläufigen Statistik der Baugenehmigungen für 2024 zu einem Neustart der Wohnungsbaupolitik auf. Auch die Länder und die Kommunen müssten bei einem politischen Kraftakt ihren Part übernehmen. Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hat bereits im aktuellen Frühjahrsgutachten der sogenannten Immobilienweisen eine Entwicklung etwa in dieser Größenordnung prognostiziert.
Wichtige Hebel aus Sicht des ZIA:
- Auf allen politischen Ebenen Ernst machen mit einem Kurs der Deregulierung.
- Bauland aktivieren durch Flächenbereitstellung, Gestehungskosten senken.
- Vereinfachte Bauvorschriften konsequent angehen, zum Beispiel über den sogenannten Gebäudetyp E.
- Sonderregeln im Baugesetzbuch, die für Flüchtlingsunterkünfte gelten, ohne Abstriche auf Wohnungsbau ausdehnen.
- Mit "Worst-first"-Ansatz in der Taxonomie energetisches Sanieren der Immobilien mit schlechten Energieeffizienzen vorantreiben.
- Zumindest temporär die Grunderwerbssteuer für alle Immobilienklassen senken oder auf null fahren.
ZDB weist auf politische Fehlentscheidungen hin
"Der dramatische Einbruch in den vergangenen zwei Jahren ist also eklatant, steht in krassem Widerspruch zum tatsächlichen Bedarf an Wohnraum, insbesondere an bezahlbarem Wohnraum, und lässt die Ziele der Bundesregierung in weite Ferne rücken", kommentierte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), die Zahlen.
Auch politische Fehlentscheidungen hätten zum drastischen Rückgang bei den Baugenehmigungen beigetragen. So sei etwa in der entscheidenden Phase zu Beginn der Legislaturperiode im Herbst 2021 – als sich die Finanzierungskosten verdreifacht hätten – die Neubauförderung ausgesetzt worden. "Es folgte eine unstete und angesichts verschärfter Energieeffizienzstandards unzureichende Förderpolitik", so Pakleppa weiter. Die später eingeführten steuerlichen Anreize wie die degressive Abschreibung und die Sonder-AfA entfalteten ihre Wirkung nur im Mietwohnungsbau.
Der Verbandschef rechnet für 2025 mit der Fertigstellung von 225.000 bis 230.000 Wohneinheiten. Ohne einen entschlossenen Investitionsschub im Wohnungsbau durch die neue Bundesregierung drohe 2026 ein weiterer Rückgang bei den Baufertigstellungen. Es brauche jetzt klare und verlässliche Rahmenbedingungen, um die Versorgungslücke im Wohnungsbau zu schließen. Der Wohnungsbau muss laut Pakleppa "endlich zur Chefsache werden": Erforderlich seien vor allem Maßnahmen, die Bau- und Baunebenkosten senken, so könnte mindestens temporär die Neubauförderung wieder am EH 55-Standard ausgerichtet werden.
Bundesbauministerium redet Wohnungsbaukrise schön
"Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die wirtschaftliche Entwicklung und gerade auch auf den Wohnungsbau sind weiterhin spürbar. Aber: Es geht aufwärts", sagte ein Sprecher aus dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB). Der Rückgang der Baugenehmigungen insgesamt habe sich seit der zweiten Jahreshälfte 2024 abgeschwächt.
"Wir erwarten in diesem Jahr die Trendwende", so der Sprecher. Die Kreditzinsen seien gesunken, der Anstieg der Baukosten habe sich verlangsamt, die Auftragslage am Bau gehe nach oben – "Die Politik der Bundesregierung hat den Wohnungsbau stabilisiert", so der Sprecher. Er nannte folgende Indikatoren, die die Bautätigkeit in Deutschland positiv beeinflussen könnten:
- Die Hypothekenabschlüsse liegen in der sechsten Kalenderwoche gegenüber dem Vorjahreswert rund 24,9 Prozent im Plus.
- Die Hypothekenzinsen liegen laut Interhyp mit aktuell rund 3,33 Prozent bei zehnjähriger Zinsbindung noch deutlich unter dem Höchststand von November 2023 (4,23 Prozent).
- Die EZB hat auf den jüngsten Sitzungen die Leitzinsen gesenkt.
- Die Immobilienpreise sind laut vdp und GREIX im vierten Quartal 2024 leicht gestiegen oder stagnierten und setzen damit einen Anreiz für Neubau.
- Die Inflation hat sich 2024 abgeschwächt, während die Bruttolöhne und Gehälter stiegen, sodass Wohnraum wieder erschwinglicher wird.
- Der Anstieg der Baukosten hat sich verlangsamt.
- Der ZIA geht im Frühjahrsgutachten 2025 davon aus, dass sich die Auftragseingänge weiter stabilisieren und sich die Wohnungsbauinvestitionen ab Mitte dieses Jahres wieder erholen.
- Die Baufertigstellungen 2023 sind durch den hohen Bauüberhang stabilisiert worden: Wie 2021 und 2022 wurden knapp 300.000 Wohnungen errichtet. Ein ähnlicher Effekt könnte für 2024 entstehen.
GdW: "Abarbeiten angeblicher Bauüberhänge reicht nicht"
"Die Politik darf diesen dramatischen Trend nicht länger ignorieren. Die nächste Bundesregierung muss den Wohnungsbau endlich als oberste Priorität behandeln – es geht um nichts Geringeres als die soziale Stabilität unseres Landes", meinte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Besonders alarmierend sei der drastische Einbruch bei den Baugenehmigungen von Ein- und Mehrfamilienhäusern. "Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper, die Folgen für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland sind gravierend."
Gedaschko mahnte davor, weiter abstrakt auf den Bauüberhang zu verweisen. Die Zahlen der vergangenen Jahre zeigten, dass das nicht zu mehr Fertigstellungen führt. Ohne ein umfassendes Sofortprogramm zur Ankurbelung des bezahlbaren Wohnungsbaus drohe Deutschland auf lange Sicht ein noch größerer Wohnungsmangel. "Ein bloßes Abarbeiten angeblicher Bauüberhänge reicht nicht aus – es muss sofort gehandelt werden", so der GdW-Chef. Deutschland brauch mindestens 60.000 neue bezahlbare Mietwohnungen und 80.000 Sozialwohnungen jährlich.
GdW-Positionspapier zur Bundestagswahl 2025
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