Berlin fehlen 145.000 Wohnungen – aber die Mieten stagnieren
Die Mieten in der dynamisch wachsenden deutschen Hauptstadt – vor allem durch den anhaltenden Zuzug von jungen Erwachsenen wurde bereits vor rund einem Jahr die 3,6-Millionen-Einwohner-Grenze geknackt – sind jahrelang stark gestiegen. Damit scheint dem Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) zufolge Schluss zu sein: Im Jahr 2019 habe man den geringsten Mietanstieg seit Jahren registriert. Damit zeichnete sich erstmals eine Stagnation ab.
Bei Neuverträgen wurde laut Studie im vergangenen Jahr im Durchschnitt eine Nettokaltmiete von 10,45 Euro pro Quadratmeter verlangt – nur 13 Eurocent beziehungsweise 1,3 Prozent mehr als 2018. Jede zehnte Wohnung wurde für weniger als sieben Euro pro Quadratmeter (nettokalt) angeboten. Nahezu flächendeckend lagen die mittleren Angebotsmieten in der City bei zwölf Euro und mehr. Schneller als in Berlin sind die Mieten laut IBB im Umland gestiegen. Dort wurden Wohnungen im Durchschnitt für 9,47 Euro kalt pro Quadratmeter angeboten – das sind 4,1 Prozent mehr als im Vorjahr.
Im Gegensatz zu den Angebotsmieten sind die Kaufpreise für Berliner Eigentumswohnungen sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser auch zwischen 2018 und 2019 deutlich in die Höhe gesprungen. Für Wohnungen mussten im Schnitt 4.777 Euro für den Quadratmeter aufgebracht werden – nach 4.200 Euro im Jahr zuvor. Das ist ein Plus von 14 Prozent. Häuser kosteten 2019 im Durchschnitt 549.990 Euro, 2018 waren es noch 498.600 Euro. Einen Unterschied zwischen Bestands- und Neubauobjekten erkannten die Studienautoren nicht.
IBB-Chef: Mietendeckel könnte Investoren vom Bauen abhalten
Die Baugenehmigungen in Berlin sind 2019 (22.565 Wohnungen) gegenüber 2018 (24.743 Wohnungen) leicht zurückgegangen, schreibt die IBB. Ausgewertet wurden auch Daten der Zusatzerhebung "Wohnen" des Mikrozensus 2018 des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg. Die zeigen, dass sich der Bauüberhang bis Ende 2018 auf 64.083 Wohnungen summierte – Ende 2017 waren es 58.990 Wohnungen. Tatsächlich gebaut wurden 16.706 Wohnungen; inklusive Umland waren es 24.078 Wohnungen.
"Das Wachstum Berlins ist immens und wird auf absehbare Zeit anhalten", prognostiziert Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke). Es müssten zügig neue Wohnungen gebaut werden. Allerdings sei die Bauwirtschaft ausgelastet. 64.000 Wohnungen seien mittlerweile genehmigt, aber nicht gebaut worden.
"Berlin braucht weiter zusätzliche Wohnungen", sagt IBB-Chef Dr. Jürgen Allerkamp. Diese müssten bedarfsgerecht und bezahlbar sein. Dies bleibe eine zentrale Aufgabe für die Stadt, wenn die Corona-Krise überstanden sei. Allerkamp äußert jedoch die Sorge, dass der Mietendeckel – die Mieten wurden bis Sommer 2024 eingefroren – Investoren vom Bauen abhalten könnte. "Es fehlen weiterhin rund 145.000 Wohnungen in der Stadt, die durch weiteren Wohnungsbau entstehen müssen", so Allerkamp.
Lompscher hingegen sieht sich durch die Studie und die Zahlen von 2018 bestätigt, dass der Mietendeckel – Ende 2019 verabschiedet – richtig war. Die Senatorin stellt dabei vor allem auf die Wohnkostenbelastung ab. Die ist bei vielen Berlinern weiterhin hoch. Der Studie zufolge mussten 39 Prozent der Haushalte im Jahr 2018 immer noch mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens für die Kaltmiete ausgeben.
"Damit Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen durch diese Entwicklung nicht aus ihren Kiezen verdrängt werden, hat Berlin den Milieuschutz stark ausgebaut und das Gesetz zur Einführung eines Mietendeckels beschlossen", erklärt die Senatorin. Der IBB-Bericht zeige, wie notwendig die wohnungspolitischen Maßnahmen des Senats für Berlin seien.
Die durchschnittliche Belastung ging allerdings zurück: Im Schnitt gaben die Haushalte 2018 rund 28 Prozent des Nettoeinkommens für die Kaltmiete aus, wie die IBB auf Grundlage der Zahlen der Statistiker ermittelte. Bei Geringverdienern kann die Quote laut Studie jedoch auch über 50 Prozent liegen – vor allem Alleinerziehende sind häufig stärker belastet. In Neukölln (Belastung von 46,2 Prozent) zahlen die Berliner Haushalte relativ gesehen am meisten.
Einpersonenhaushalte dominieren – Eigentumsquote wächst
Weil Wohnen in den vergangenen Jahren teurer geworden ist, begnügen sich die Berliner – Eigentum und Miete – mit weniger Fläche. Im Jahr 2018 waren es dem Bericht zufolge 38,1 Quadratmeter pro Kopf. 2011 waren es nach den amtlichen Zahlen noch 40,9 Quadratmeter. Betrachtet man nur die Mieter, hatten diese im Jahr 2018 im Schnitt 37,5 Quadratmeter pro Person zur Verfügung. Der bundesweite Durchschnitt liegt laut IBB bei 39,3 Quadratmetern.
Von 83 Prozent Mieterhaushalten in der Hauptstadt dominieren Einpersonenhaushalte, gefolgt von Haushalten mit zwei Personen. Eine typische Mieterwohnung ist im Durchschnitt 66,6 Quadratmeter groß, das sind pro Person 37,5 Quadratmeter. Vor allem Alleinerziehende leben auf besonders kleinen Wohnflächen, ältere Haushalte häufiger in größeren Wohnungen.
Berlin ist zwar eine Mieterstadt, doch laut IBB-Studie wächst die Zahl der Eigentümer dynamisch: Seit 2014 ist demnach der Anteil der selbstgenutzten Eigentumswohnungen um knapp 20 Prozent gewachsen auf einen Anteil von 17 Prozent im Jar 2018. Offenbar steigen mit wachsendem Alter die Eigentümerquoten: Mehr als ein Viertel der über 65-Jährigen wohnt in den eigenen vier Wänden – doch immerhin rund ein Achtel der Haushalte hat noch offene Verpflichtungen bei Immobilienkrediten.
IBB Wohnungsmarktbericht 2019 Berlin
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