Prof. Dr. Henry Schäfer, Stephan Eckert
Mit strategischen Finanzierungsalternativen geht im Regelfall eine Umstrukturierung von Vermögensbeständen und Wertschöpfungsprozessen einher. Aus diesem Grund sind die damit möglichen Finanzierungspotenziale nicht ausschließlich unter rein finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, sondern müssen sich in damit verbundene unternehmensstrategische Überlegungen einfügen.
3.1 Working Capital Management
Bedeutung für den Mittelstand
Gerade vor dem Hintergrund der durch Mezzanine-Kapital entstandenen Problematik ist es für viele mittelständische Unternehmen wichtig, ihren Free Cashflow zu verbessern. Eine gute, aber nur langfristig umzusetzende Möglichkeit, dies zu tun, stellt beispielsweise die Innenfinanzierung durch die Optimierung des Working Capital dar. Working Capital Management, also das aktive Management von Beständen, Forderungen und Verbindlichkeiten zu Finanzierungszwecken, sollte besonders im Mittelstand zukünftig eine wichtige Rolle spielen.
3.1.1 Potenzial im Mittelstand noch weitgehend ungenutzt
Working Capital Management mit hohem Entwicklungspotenzial
Eine aktuelle Studie von Roland Berger Strategy Consultants und Creditreform zeigt jedoch, dass gerade in vielen mittelständischen Unternehmen das Working Capital Management und das Denken sowie Handeln im Sinne eines Cashflow Cycle noch sehr unterentwickelt sind. Dadurch ist das ungenutzte Finanzierungspotenzial sehr hoch. Die Studie zeigt auch, dass aufgrund der Finanzkrise der Liquiditätsengpass im deutschen Mittelstand bis 2012 auf bis zu 60 Mrd. EUR geschätzt werden kann.
Doch gerade in dem seit Mitte 2010 einsetzenden Konjunkturaufschwung werden im Mittelstand liquide Mittel zur Vorfinanzierung des wieder steigenden Umsatzes und zur Refinanzierung bzw. zur Anschlussfinanzierung an das Mezzanine-Kapital gebraucht. Die interne Finanzierung über das Working Capital Management bietet laut der Studie ungenutztes Potenzial in Höhe von 120 Mrd. EUR allein für den Mittelstand. Es fällt weiterhin auf, dass das Working Capital Management in großen Unternehmen deutlich effizienter als im Mittelstand ist. Dies liegt einerseits daran, dass größere Unternehmen aufgrund ihrer größeren Verhandlungsmacht eher ihre Zahlungsziele durchsetzen können, andererseits aber auch daran, dass Working Capital Management in größeren Unternehmen ein höherer Stellenwert eingeräumt und das Thema konsequenter angegangen wird.
Grundsätzlich ist die Kapitalbindung nicht unerheblich von der Organisation der Wertschöpfung abhängig. So zeigt sich, dass Unternehmen mit Serienproduktion durchschnittlich eine deutlich geringere Kapitalbindung als Unternehmen mit Einzelproduktion aufweisen. Immerhin ein Drittel der 2.500 befragten Unternehmen in der genannten Studie gab an, in den vergangenen Jahren Optimierungsmaßnahmen zur Verbesserung des Working Capital Management durchgeführt zu haben. Dabei konnten lediglich 22 % der befragten Unternehmen keine Verbesserung berichten. Die restlichen 78 % berichteten von Verbesserungen zwischen 5 und 50 %, wobei der Großteil (42 %) sich durch die durchgeführten Maßnahmen in den letzten Jahren um etwa 10 % verbessern konnte.
Lager-, Bestandsoptimierung und Kundenforderungen haben größtes Potenzial
Das größte Liquiditätspotenzial liegt laut der Studie im Bereich der Lager- bzw. Bestandsoptimierung und der Kundenforderungen. Letztere können besonders durch die Optimierung der Rechnungs- und Mahnstellung, den aktiven Einsatz von Skonto-Regelungen, um Zahlungsanreize zu schaffen, und Kundensegmentierung sowie entsprechendes Kreditlinien-Controlling beeinflusst werden. Eine derzeit noch vergleichsweise geringe Bedeutung sehen mittelständische Unternehmen im Bereich Factoring und Asset Backed Securities. Es wird jedoch auch davon ausgegangen, dass gerade diese beiden Bereiche in Zukunft sehr stark an Bedeutung hinzugewinnen werden.
3.1.2 Factoring und Asset Backed Securities
Factoring und ABS auch im Mittelstand
Factoring ist eine dynamische Form der Absatzfinanzierung und beschreibt den Ankauf bzw. Verkauf von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen. Im Rahmen vertraglich festgesetzter Limits kann ein Unternehmen Forderungen gegenüber seinen Abnehmern vor Fälligkeit an einen Factor (meist eine Factoringgesellschaft oder eine Bank) verkaufen. Durch Factoring wird also der Kaufpreis einer Forderung bevorschusst.
Ziel des Factorings
Ziel des Factorings ist es, vor allem den Forderungsverkäufer in die finanzielle Lage zu versetzen, Rechnungen seiner Lieferanten unter Abzug von Skonti, Rabatten und Preisnachlässen begleichen zu können. Insofern sollte Factoring in der "Hackordnung" (sog. Pecking Order) der Finanzinstrumente spätestens dann zum Einsatz kommen, wenn kurzfristige Kreditlinien bei Kreditinstituten nicht mehr erweiterbar sind und der weitere Finanzbedarf nur durch Lieferantenkredite gedeckt werden kann. Der Verkauf von Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen im Rahmen des Factorings schafft in diesem Fall dringend gebrauchte zusätzliche Liquidität.
Asset Backed Securities bieten neben der Finanzierung auch die Mögli...