Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Stromlieferungen an Dauercamper sind als unselbstständige Nebenleistungen zur Campingplatzvermietung steuerfrei. Das gilt auch dann, wenn sie gesondert bestellt und abgerechnet werden.
Sachverhalt
Zu den steuerfreien Leistungen einer Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Satz 1 UStG) gehören auch die damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden üblichen Nebenleistungen (vgl. Abschn. 76 Abs. 5 UStR). Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll es sich jedoch bei der Lieferung von elektrischem Strom und von Heizgas und Heizöl nicht um Nebenleistungen handeln (vgl. Abschn. 76 Abs. 6 UStR). Begründet wird dies u. a. noch mit einem Urteil des Reichsfinanzhofs aus dem Jahr 1930. Vor diesem Hintergrund wurde einem Campingplatzbetreiber die Umsatzsteuerfreiheit für seine Umsatzerlöse verweigert, soweit sie auf die Lieferung von Strom entfielen. Der Campingplatzbetreiber wies darauf hin, dass im Rahmen der Verträge mit den Dauercampern die zugehörigen Gemeinschaftseinrichtungen zur Verfügung gestellt und die Belieferung mit Strom gewährleistet würde. Die Stromlieferungen seien in diesem Fall untrennbar mit der Hauptleistung der Stellplatzvermietung verbunden. Erst die als Hauptleistung anzusehende Vermietung bedingte die Nebenleistung der Stromlieferung. Letztere wäre ohne die Hauptleistung nicht denkbar.
Entscheidung
Die Stromlieferungen sind als übliche Nebenleistungen zu den Vermietungsumsätzen steuerfrei. Nach Definition des EuGH liegt eine unselbstständige Nebenleistung vor, wenn die Leistung für den Empfänger keinen eigenen Zweck, sondern nur das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH v. 25.2.1999, C-349/96). Die durch die Überlassung von üblichen Gemeinschaftseinrichtungen gewährten Leistungen des Campingplatz-Unternehmers sind gegenüber der Vermietung der Campingfläche von untergeordneter Bedeutung. Zu den üblichen Gemeinschaftseinrichtungen gehören danach insbesondere Wasch- und Duschräume, Toiletten, Wasserzapfstellen, elektrische Anschlüsse und Vorrichtungen zur Müllbeseitigung. Diese Nebenleistungen fallen unter die Steuerbefreiung für die Grundstücksvermietung, und zwar auch dann, wenn für sie ein besonderes Entgelt berechnet wird. Eine Rolle spielt dabei auch, dass eine isolierte Stromlieferung (ohne Überlassung der Campingfläche) hier nicht denkbar ist. Dies unterscheidet die Stromlieferung beispielsweise von der Zur-Verfügung-Stellung einer Telefonanlage auf dem Campingplatz.
Hinweis
Die Begründung des Finanzgerichts überzeugt. Insbesondere sollte die Finanzverwaltung nicht, wie in Abschn. 76 Abs. 6 UStR, dauerhaft an völlig überalteter Rechtsprechung festhalten. Camper werden und dürfen in der heutigen Zeit umfassende Nebenleistungen erwarten. Dies wird der BFH im nun anhängigen Revisionsverfahren hoffentlich klarstellen. In vergleichbaren Fällen haben Campingplatzbetreiber ggf. auch ohne Rechtsbehelf die Möglichkeit, die Umsatzsteuerbelastung auf "Nebenleistungen" zu vermeiden, in dem sie sich insoweit auf die "Kleinunternehmerregelung" berufen. Steuerfreie Grundstücksvermietungsumsätze werden nämlich nicht zur Prüfung der in § 19 UStG genannten Umsatzgrenzen herangezogen. Zu beachten ist allerdings, dass generell nur eine langfristige Vermietung von Campingplätzen (i. d. Regel mind. 6 Monate) umsatzsteuerfrei ist (vgl. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG).
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.07.2006, 6 K 2565/03