Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Studiengebühren für den Besuch einer (privaten) Hochschule sind weder nach § 33a Abs. 2 EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
2. Das Abzugsverbot begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Ausbildungsbedarf von Kindern in § 32 Abs. 6 S. 1 2. Halbs. EStG und § 33a Abs. 2 EStG jedenfalls im Streitjahr ausreichend Rechnung getragen.
3. § 33a Abs. 2 EStG ist eine zusätzliche Ausbildungskomponente im Familienleistungsausgleich. Eine isolierte Betrachtung der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift scheidet damit aus.
Normenkette
§ 33a Abs. 2 und Abs. 5, § 33, § 32 Abs. 6 EStG, Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG, § 1610 BGB
Sachverhalt
Die Kläger, Eheleute, machten für 2004 die Studiengebühren einer privaten Hochschule (7 080 EUR), die sie für ihren 1982 geborenen Sohn entrichtet hatten, als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Das FA und auch das FG (FG Bremen, Urteil vom 16.07.2008, 4 K 205/06 (4), Haufe-Index 2078654, EFG 2009, 128) gewährten dagegen nur den Sonderbedarfsfreibetrag nach § 33a Abs. 2 S. 1 EStG von 924 EUR.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung und verneinte auch den vom Kläger aus dem Verfassungsrecht hergeleiteten Anspruch auf einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung der Studiengebühren.
Hinweis
Das Besprechungsurteil verdeutlicht einfachrechtlich den Bedeutungswandel, den der frühere Ausbildungsfreibetrag durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) ab 2002 erfahren hat. Das kommt auch terminologisch zum Ausdruck: "Sonderbedarf". Verfassungsrechtlich befasst sich die Entscheidung letztlich mit dem subjektiven Nettoprinzip und der Reichweite der Freibeträge, die das EStG für die von Verfassungs wegen gebotene Berücksichtigung des sächlichen Kinderexistenzminimums und des darüber hinausgehenden Erziehungs- und Betreuungsbedarfs einräumt.
1.§ 33a Abs. 2 S. 1 EStG soll den durch die auswärtige Unterbringung des Kinds entstandenen Sonderbedarf abgelten. Zu beachten: die Abgeltungs- und Sperrwirkung des § 33a Abs. 2 S. 1 und § 33a Abs. 5 (jetzt: Abs. 4) EStG. Weiter reicht diese Abgeltungs- und Sperrwirkung aber nicht, erstreckt sich insbesondere nicht auf den allgemeinen Ausbildungsbedarf des volljährigen Kinds. Dennoch sind Aufwendungen für die Berufsausbildung der Kinder nicht nach § 33 EStG abziehbar; auch nicht Studiengebühren. Sie sind kein atypischer Unterhaltsaufwand. Denn § 33 EStG erfasst nur über das Übliche hinausgehende, etwa krankheitsbedingten Ausbildungsmehrbedarf. Ansonsten sind ausbildungsbedingte Mehraufwendungen durch Kinderfreibetrag/Kindergeld und den Sonderbedarfsfreibetrag (vor 2002 Ausbildungsfreibetrag) steuerlich entlastet und damit abgegolten.
2. Diese Abgeltungswirkung des zusätzlich zum Kinderfreibetrag eingeführten Freibetrags für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG).
Die bei den Eltern von Verfassungs wegen zu berücksichtigende Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch ein Kind in Ausbildung ist damit ausreichend erfasst. Der BFH stützt sich dazu auch auf das BVerfG (Beschlüsse des BVerfG vom 12.01.2006, 2 BvR 660/05, BFH/NV 2006, Beilage 3, 362; vom 11.01.2005, 2 BvR 167/02, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260; vom 26.01.1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346). Unterhaltsleistungen, die einem Kind eine berufliche Ausbildung mit einer auswärtigen Unterbringung ermöglichen, gehören nicht zum (Familien-)Existenzminimum im engeren Sinn.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 17.12.2009 – VI R 63/08