OFD Karlsruhe, Verfügung v. 15.6.2006, S 0453 A - St 333
1. Ziel des Leitfadens
Mit Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 28.2.2006 wurde den Mitarbeitern in den Finanzämtern das sachentscheidende Zeichnungsrecht über Stundungen bis zu einem Betrag von 5.000 Euro je Steuerart und -jahr und bis zu einem Zeitraum von 12 Monaten eingeräumt. Dieser Leitfaden soll die Mitarbeiter in die Lage versetzen, von ihrem erweiterten Zeichnungsrecht auch Gebrauch zu machen.
2. Allgemeines zur Stundung
2.1 Stundungsgründe
Nach § 222 AO können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) ganz oder teilweise gestundet werden, wenn die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Eine Stundung kann aus sachlichen (Tz. 3) oder persönlichen (Tz. 4) Gründen gewährt werden.
2.2 Folgen der Stundung
Durch die Stundung wird die Fälligkeit ganz oder teilweise hinausgeschoben. Die Stundung ist auch für zurückliegende Zeiträume zulässig (§ 109 Abs. 1 AO). Durch das Hinausschieben der Fälligkeit treten keine materiell-rechtlichen Verzugsfolgen wie Säumniszuschläge ein, bei einer rückwirkenden Stundung werden diese aufgehoben. Statt dessen können Stundungszinsen festgesetzt werden (Tz. 6).
Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet wird (§ 257 Abs. 2 AO). Sollen ausnahmsweise bereits niedergeschlagene Beträge gestundet werden, ist zuvor die Niederschlagung durch die Vollstreckungsstelle aufzuheben.
2.3 Ausschluss der Stundung
Nicht gestundet werden können Steueransprüche gegen den Steuerschuldner, soweit ein Dritter (Entrichtungspflichtiger) die Steuer für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten, insbesondere einzubehalten und abzuführen hat (§ 222 Satz 3 AO). Steuerabzugsbeträge (z.B. einbehaltene Lohnsteuer) können hiernach weder zugunsten des Steuerschuldners (Arbeitnehmers) noch zugunsten des Entrichtungspflichtigen (Arbeitgebers) gestundet werden. Dies gilt auch, wenn ansonsten die Voraussetzungen für eine Verrechnungsstundung vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 23.8.2000, BStBl 2001 II S. 742).
Eine Stundung der Lohnsteuer zugunsten des Arbeitgebers ist nur zulässig, wenn der Arbeitgeber selbst Steuerschuldner ist, z.B. bei der Pauschalierung von Lohnsteuer.
Die Stundung des Haftungsanspruchs gegen den Entrichtungspflichtigen ist ausgeschlossen, soweit er Steuerabzugsbeträge einbehalten oder Beträge, die eine Steuer enthalten, eingenommen hat (§ 222 Satz 4 AO). Wird der Arbeitgeber für einbehaltene, aber nicht ans FA abgeführte Lohnsteuer in Haftung genommen, schließt diese Vorschrift die Stundung des Haftungsanspruchs aus. Dagegen kann eine Stundung des Haftungsanspruchs in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer bereits nicht einbehalten hat und er somit die Zahlung aus seinem eigenen Vermögen zu leisten hat.
Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 222 Satz 3 oder 4 AO erfüllt, so ist ein dennoch gestellter Stundungsantrag abzulehnen. § 222 Satz 3 und 4 AO ermächtigen nicht zu einer Ermessensausübung.
3. Sachliche Stundungsgründe
Ein sachlicher Stundungsgrund liegt vor, wenn ein Erstattungsanspruch (Gegenanspruch) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht und alsbald fällig wird und damit zur Tilgung der fälligen Steuerschuld verwendet werden kann (sog. Verrechnungsstundung). Gleiches gilt dann, wenn der zu zahlende Steuerbetrag – ganz oder teilweise – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alsbald zurückzuzahlen sein wird (z.B. im Hinblick auf eine bevorstehende Änderung der Steuerfestsetzung wegen eines Verlustrücktrags).
3.1 Glaubhaftmachung der Gegenforderung
Wird die Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis mit der Begründung beantragt, es werde sich eine Ermäßigung des geschuldeten Betrags oder eine Verrechnungsmöglichkeit mit noch nicht fälligen Steuererstattungsansprüchen bzw. Steuervergütungsansprüchen ergeben, so kann von einem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehenden Gegenanspruch grundsätzlich ausgegangen werden, wenn dieser durch Vorlage der vollständigen Steuererklärung oder des Antrags (z.B. auf Gewährung von Investitionszulage) nachgewiesen wird und nach überschlägiger Prüfung keine Bedenken gegen das Vorhandensein eines Gegenanspruchs bestehen. Bei einem Verlustrücktrag müssen die Steuererklärungen sowohl für das Verlustjahr als auch für das Jahr, in dem sich der Verlustrücktrag steuerlich auswirkt, eingegangen sein.
Eine schwierige und zeitraubende Überprüfung, ob die behauptete Gegenforderung (z.B. Steuererstattung) besteht, braucht das FA nicht vorzunehmen. Wird die Stundung fälliger Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Höhe von bis zu 5.000 Euro beantragt, so ist regelmäßig nur zu prüfen, ob die vollständigen Steuererklärungen bzw. Anträge vorliegen, aus denen sich der Herabsetzungs-, Steuererstattungs- oder Steuervergütungsanspruch ergeben soll.
Einer Vor...