Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Die für eine ermäßigte Besteuerung einer Entlassungsentschädigung erforderliche Zusammenballung ist auch dann erfüllt, wenn im Erstjahr lediglich ein absolut als auch prozentual geringfügiger Betrag ausgezahlt wird und die Auszahlung des weitaus größeren Restbetrags im zweiten Jahr erfolgt.
Sachverhalt
Im Streitfall erhielt der Steuerpflichtige eine Entlassungsentschädigung über insgesamt 115.000 Euro, die im Jahr der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lediglich in Höhe von 10.200 Euro und der Restbetrag von 104.800 Euro im Folgejahr ausgezahlt wurde. Während der Steuerpflichtige für den im Folgejahr gezahlten Betrag die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG (sog. Fünftelregelung) begehrte, lehnte das Finanzamt dies unter Hinweis auf die Regelung im BMF-Schreiben vom 1. 11. 2013, IV C 4-S 2290/13/10002, BStBl 2013 I S. 1326 ab, wonach keine geringfügige Zahlung und damit keine für die Inanspruchnahme der ermäßigten Besteuerung notwendige Zusammenballung vorliegt, wenn beim Zufluss in Teilbeträgen der Teilbetrag im Verhältnis zur Hauptleistung über 5 % liegt.
Entscheidung
Im Klageverfahren bekam der Steuerpflichtige jedoch Recht. Das Finanzgericht entschied, dass es sich bei dem im Erstjahr ausgezahlten Betrag von 10.200 Euro um eine unschädliche geringfügige Teilleistung im Verhältnis zu dem im Folgejahr ausgezahlten Betrag von 104.800 Euro handelt. Denn bereits nach allgemeinem Verständnis ist eine Teilleistung von unter 10 % der Hauptleistung geringfügig. Dies wird bestärkt durch verschiedene im Steuerrecht bestehende 10 %-Grenzen (u.a. Abgrenzung notwendiges Privatvermögen zu Betriebsvermögen, 10 %-Grenze für Vergütungen für Fremdkapital an wesentlich beteiligte Gesellschafter im Rahmen der Zinsschranke, § 8a Abs. 3 S. 1 KStG, 10 %-Grenze beim bauleistenden Unternehmer als Leistungsempfänger bei Umkehr der Steuerschuldnerschaft, § 13b Abs. 5 S. 2 UStG). Entsprechend war daher die begehrte ermäßigte Besteuerung zu gewähren.
Hinweis
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind solche Entschädigungen als außerordentliche Einkünfte zu behandeln, deren zusammengeballter Zufluss zu einer Ausnahmesituation in der Progressionsbelastung des jeweiligen Steuerpflichtigen führt. Zwar liegt sie typischerweise nicht vor, wenn eine einheitliche Entschädigungsleistung in mehreren Veranlagungszeiträumen zufließt. Eine nur geringfügige Teilleistung in dem dem Zuflussjahr der Hauptentschädigungsleistung vorgegangenen Veranlagungszeitraum kann jedoch ebenfalls dieser Ausnahmesituation mit ihrem Bedarf nach der von § 34 EStG bezweckten Progressionsabmilderung entsprechen.
Eine starre Prozentgrenze sieht das Gesetz weder vor, noch kann eine solche die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit im Einzelfall ersetzen. Sind keine besonderen tatsächlichen Umstände erkennbar, die die Teilleistung bedingen oder prägen, ist die Frage, ob eine Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum der Außerordentlichkeit der Hauptentschädigungszahlung entgegensteht, alleine ausgehend von der Höhe der Teilleistung zu beurteilen. Die Finanzverwaltung hat zur Beurteilung der Geringfügigkeit im o.g. BMF - Schreiben eine 5% - grenze eingeführt. Demgegenüber sieht das Finanzgericht die Grenze bei 10 % und hat daher die Revision zugelassen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2014, 10 K 2655/13