Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Für die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG für Umsätze aus einer "Versicherungsvermittlungstätigkeit" ist es wesentlich, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Der Begriff des Zusammenbringens erfasst auch den Fall, dass bestehende Versicherungsvertragsparteien zusammengebracht werden, um Verträge durch rechtsgeschäftliche Änderungsvereinbarungen zu optimieren.
Sachverhalt
Die Klägerin ist auf die Optimierung von privaten Krankenversicherungstarifen spezialisiert. Dabei nimmt sie Kontakt zu Personen auf, die vorher im Internet Interesse an einer Versicherungsoptimierung bekundet haben. Das Ziel der Klägerin ist es, im Wege eines Tarifwechsels eine Beitragsersparnis für privat versicherte Kunden zu erzielen, ohne dass ein Wechsel des Versicherers stattfindet. Im Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten steuert die Klägerin den gesamten Prozess des Tarifwechsels (Recherche, Vergleich der verfügbaren Tarifoptionen, ggf. Umstellung des Versicherungstarifs im Namen des Kunden gegenüber der Versicherung). Über die vom Kunden zu zahlende erfolgsabhängige Provision (abhängig von der Ersparnis des Kunden) erstellte die Klägerin (Brutto-) Rechnungen ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis.
Das Finanzamt behandelte dagegen die oben genannten Umsätze der Klägerin nicht als umsatzsteuerfreie Tätigkeit als Versicherungsmakler gemäß § 4 Nr. 11 UStG, da es vorliegend nicht zu einem Wechsel der Krankenversicherung komme.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG ist die Tätigkeit der Optimierung von privaten Krankenversicherungstarifen umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 11 UStG.
Nach § 4 Nr. 11 UStG bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sind unter anderem die Umsätze aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler steuerfrei. Die Steuerbefreiung hängt kumulativ davon ab, dass die Leistungen zu Versicherungsumsätzen "dazugehörige" Dienstleistungen sind und dass sie "von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden", EuGH, Urteil v. 25.3.2021, C-907/19 (Q-GmbH).
Nach der EuGH-Rechtsprechung umfasst der Ausdruck "dazugehörig" verschiedene Dienstleistungen, die zur Bewirkung von Versicherungsumsätzen und insbesondere zur Schadensregulierung beitragen. Auch ist der Begriff "dazugehörig" hinreichend weit und verlangt keine einschränkende Auslegung des Begriffs des "Zusammenbringens". Dagegen sind Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben steuerpflichtig.
Bei der Prüfung, ob Versicherungsumsätze von einem Versicherungsmakler oder -vertreter erbracht werden, ist nicht auf die formale Eigenschaft des Dienstleistungserbringers abzustellen, sondern auf den Inhalt dieser Dienstleistungen. Insoweit muss der Dienstleistungserbringer mit dem Versicherer und dem Versicherten wenigstens mittelbar in Verbindung stehen. Die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung muss darin bestehen, die Kunden im Hinblick auf den Abschluss von Versicherungsverträgen zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen.
Nach den oben genannten Kriterien erfüllt die Optimierungstätigkeit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 UStG. Insbesondere bringt die Klägerin die von ihr gesuchten Kunden mit dem Versicherer zusammen. Zwar wechseln zivilrechtlich vorliegend die Kunden nicht ihren bereits vorhandenen Versicherer. Der Begriff des Zusammenbringens erfasst nach Ansicht des FG jedoch das Zusammenbringen bestehender Versicherungsvertragsparteien, um Verträge durch rechtsgeschäftliche Änderungsvereinbarungen zu optimieren. Für diese weite Auslegung des Begriffs des "Zusammenbringens" spricht insbesondere der Grundsatz der umsatzsteuerlichen Neutralität. Obwohl die Klägerin ihre Bezahlung nur von ihren Kunden, den Versicherungsnehmern erhält, wird die Klägerin auch für den Versicherer tätig. Denn dieser hat ein Interesse daran, den Versicherten nicht als Kunden zu verlieren und bietet deshalb ihren Kunden selbst die Optimierung der Bestandsverträge an. Auch ist die Zahlung erfolgsabhängiger Vergütungen wie hier ein Beweisanzeichen, dass berufstypische Leistungen erbracht werden.
Die Klägerin schuldet keine Umsatzsteuer nach § 14c UStG, da in der Rechnung zwar Bruttopreise angegeben waren, die Umsatzsteuer jedoch nicht gesondert ausgewiesen war. Sind wie hier die Rechnungen alle an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Endverbraucher adressiert, liegt keine Gefährdung des Steueraufkommens gemäß § 14c UStG vor, vgl. EuGH, Urteil v. 8.12.2022, C-378/21 (Finanzamt Österreich).
Hinweis
Gegen das praxisfreundliche Urteil des FG ist Revision beim BFH anhängig, Az beim BFH XI R 7/23.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil v. 16.02.2023, 6 K 86/22