Leitsatz
Sagt das FA in der mündlichen Verhandlung im Weg tatsächlicher Verständigung zu, die angefochtenen Einkommensteuerbescheide unter Ansatz geringerer gewerblicher Einkünfte zu ändern und wird daraufhin übereinstimmend der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, hindert dies die Kläger nicht, bis zur formellen Bestandskraft der Änderungsbescheide statt der bisherigen Zusammenveranlagung die getrennte Veranlagung zu wählen.
Normenkette
§ 26 EStG , § 26a EStG , § 26b EStG , § 351 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Die Kläger wurden für die Kalenderjahre 1984 bis 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Gegen die für die Streitjahre erlassenen geänderten Steuerbescheide erhoben sie nach erfolglosem Einspruch aus nicht mehr streitigen Gründen Klage.
In der mündlichen Verhandlung vom 1.10.1996 verpflichtete sich das FA, die angefochtenen Steuerbescheide zu ändern und geringere Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusetzen. Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Am 18.2.1997 erließ das FA die zugesagten Änderungsbescheide.
Am 5.3.1997 beantragten die Kläger beim FA, für die Streitjahre getrennte Veranlagungen durchzuführen. Diesen Antrag lehnte das FA ab. Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage war vor dem FG und dem BFH erfolgreich.
Entscheidung
Zu Recht sei das FG davon ausgegangen, dass die Kläger einen Anspruch auf getrennte Veranlagung hinsichtlich der Streitjahre hätten. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 1.10.1996 abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Kläger und des FA stünden dem Antrag auf getrennte Veranlagung nicht entgegen. Die beiderseitigen Erledigungserklärungen wirkten zwar unmittelbar verfahrensbeendend, die Erklärungen bezögen sich aber nur auf den ursprünglichen Gegenstand des Klagebegehrens und beschränkten sich auf den Verzicht auf eine Sachentscheidung. Materiell-rechtliche Bedeutung komme ihnen nicht zu.
Auch § 351 Abs. 1 AO hindere eine Änderung der Veranlagungsart nicht, denn das Begehren auf Änderung der Veranlagungsart sei nicht als Anfechtung, sondern als ein auf Durchführung einer erneuten Veranlagung gerichtetes Verpflichtungsbegehren zu verstehen. Ebenso wenig sei eine Beschränkung des Wahlrechts nach § 26 EStG durch die Vereinbarung der Kläger mit dem FA in der mündlichen Verhandlung vom 1.10.1996 eingetreten, denn Inhalt dieser Verständigung sei nicht eine bestimmte Veranlagungsart gewesen.
Hinweis
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Steuerpflichtige ihr Veranlagungswahlrecht nach § 26 EStG bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids noch anderweitig ausüben. Das Urteil befasst sich mit der Frage, ob dies auch dann gilt, wenn das FA nach einer tatsächlichen Verständigung einen geänderten Bescheid erlässt. Nach Auffassung des BFH kann auch in diesen Fällen bis zur Bestandskraft des infolge der tatsächlichen Verständigung geänderten Bescheids statt Zusammenveranlagung getrennte Veranlagung und umgekehrt beantragt werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich die Beteiligten ausdrücklich oder konkludent auf eine bestimmte Veranlagungsart verständigt hätten. Hiervon ist in der Regel nicht auszugehen.
Das Gleiche gilt, wenn die tatsächliche Verständigung erst vor dem FG getroffen wird und die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache sodann für erledigt erklären. Die beiderseitigen Erledigungserklärungen wirken zwar unmittelbar verfahrensbeendend, sie beziehen sich aber nur auf die ursprünglichen Bescheide und erschöpfen sich in einem Verzicht auf eine Sachentscheidung ohne materiell-rechtliche Bedeutung. Allerdings wird mit der Erledigungserklärung der ursprüngliche Steuerbescheid bestandskräftig und der geänderte Steuerbescheid, mit dem das FA die tatsächliche Verständigung umsetzt, kann nach § 351 Abs. 1 AO nur noch mit der Begründung angefochten werden, die erzielte tatsächliche Verständigung sei in den Bescheid nur unzureichend eingeflossen.
Gleichwohl hindert dies die anderweitige Ausübung des Veranlagungswahlrechts nicht, weil darin nach Auffassung des BFH keine Anfechtung eines Steuerbescheids zu sehen ist, sondern ein Verpflichtungsbegehren, für das § 351 Abs. 1 AO keine Einschränkung enthält.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.1.2002, III R 49/00