Prof. Dr. Joachim S. Tanski
Rz. 36
Für abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter, die einer selbstständigen Nutzung fähig sind, existiert seit 2010 in § 6 Abs. 2, 2a EStG eine Regelung, die die folgenden Behandlungen sog. geringwertiger Wirtschaftsgüter (GWG) in Abhängigkeit von der Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in der Buchführung wahlweise vorsieht:
sofortiger Abzug als Betriebsausgaben (geringfügige WG)
- zulässig bei AHK ≤ 250 EUR;
sofortiger Abzug als Betriebsausgaben mit Dokumentation von Zugangsdatum und -wert in gesondertem, laufenden Verzeichnis oder in der Buchführung ("reguläre" GWG)
- zulässig bei AHK > 250 EUR bis ≤ 800 EUR;
Bildung eines einheitlichen Sammelpostens (Sammelposten-GWGs)
- zulässig bei AHK > 250 EUR bis ≤ 1.000 EUR;
Aktivierung eines Anlagegutes und planmäßige Abschreibung auf Nutzungsdauer ("reguläres" Anlagegut)
- zulässig bei allen WG des Anlagevermögens bei AHK ≤ 1.000 EUR,
- Pflicht bei AHK > 1.000 EUR.
Zur Ermittlung der Wertgrenzen sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten immer netto (ohne Umsatzsteuer) zu betrachten, unabhängig davon, ob eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug besteht. Zur Beurteilung der selbstständigen Nutzungsfähigkeit ist darauf abzustellen, ob das Wirtschaftsgut nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern genutzt werden kann und ob die in den Zusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind. Kann ein Wirtschaftsgut nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur im Zusammenhang mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden und sind die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt, so ist die selbständige Nutzungsfähigkeit auch dann nicht gegeben, wenn das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann.
Rz. 37
Haben bewegliche, abnutzbare Güter des Anlagevermögens Anschaffungs- oder Herstellungskosten von mehr als 250 EUR, aber nicht mehr als 1.000 EUR (jeweils ohne Vorsteuer), können diese Güter im Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Wirtschaftsguts oder der Eröffnung des Betriebs in einen Sammelposten eingestellt werden (§ 6 Abs. 2a EStG). Der Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden 4 Wirtschaftsjahren mit jeweils 20 % gewinnmindernd aufzulösen; die tatsächliche Nutzungsdauer oder die Wertminderung einzelner Güter ist also unerheblich. Scheidet ein in diesem Sammelposten ausgewiesenes Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen aus, wird der Sammelposten nicht vermindert. Die Bildung dieses Sammelpostens unterliegt einem Wahlrecht, jedoch muss die Wahl für alle Wirtschaftsgüter einer Periode einheitlich ausgeübt werden (§ 6 Abs. 2a Satz 5 EStG). Das Wahlrecht lebt dann in der Folgeperiode bei Erwerb des ersten Wirtschaftsgutes wieder auf. Es ist zulässig, die Wahlrechtsausübung erst bei den Jahresabschlussarbeiten für das zurückliegende Jahr auszuüben.
Ein am 2.1.01 erworbenes Gerät mit Anschaffungskosten von 476 EUR inkl. MwSt und einer Nutzungsdauer von 8 Jahren kann wahlweise einer dieser 3buchtechnischen Behandlungen unterworfen werden:
- sofortige aufwandswirksame Buchung und Einstellung der erforderlichen Angaben in ein gesondertes Verzeichnis, sofern sich die Angaben nicht ohnehin der Buchführung entnehmen lassen;
- Einstellung in den Sammelposten und Abschreibung auf 5 Jahre;
- reguläre Aktivierung und planmäßige Abschreibung auf 8 Jahre.
Wird die Einstellung in den Sammelposten gewählt, müssen alle anderen Güter zwischen 250 EUR und 1.000 EUR, die im selben Jahr erworben werden, ebenfalls in den Sammelposten eingestellt werden.
Rz. 38
Die Begriffsbildung zu diesen Gütern ist nicht einheitlich, da sich die Grenzen und damit die Wahlrechte für GWG überschneiden. So kann der Bilanzierende für jedes einzelne Wirtschaftsgut bis 800 EUR aufgrund des Einzelbewertungsgrundsatzes entscheiden, ob er dieses Gut dem sofortigen Betriebsausgabenabzug unterwirft oder aber aktiviert und planmäßig abschreibt. Diese Wahlmöglichkeit entfällt jedoch für Wirtschaftsgüter zwischen 250 EUR und 800 EUR, die in einen Sammelposten eingestellt werden. Sofern kein Sammelposten gebildet wird, ist das Einzelfallwahlrecht für Güter bis 800 EUR jedoch wegen des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB) kritisch zu sehen und wohl zumindest für vergleichbare Güter auszuschließen. Zweckmäßig ist es, die sofort als Aufwand zu erfassenden Güter bis 250 EUR als geringfügige Wirtschaftsgüter zu bezeichnen. Nur die Güter über 250 EUR bis 800 EUR wären dann als kleine geringwertige Wirtschaftsgüter und jene über 800 EUR bis einschließlich 1.000 EUR als große geringwertige Wirtschaftsgüter anzusehen. Entsprechend sind geringfügige Wirtschaftsgüter unter Umgehung des Anlagenspiegels direkt im Aufwand zu erfassen, während die Sofortabschreibung kleiner GWG sowie die Bildung und Auflösung des Sammel...