Worum geht es hierbei? Die Arbeitsgruppe 6 der OECD hat mit ihrem Schreiben vom 6. Juni 2012 die Unternehmen darum gebeten, die von der OECD vorgeschlagenen Änderungen zur Frage
- des "richtigen" Zeitpunkts der VP-Bildung und
- des "richtigen" Zeitpunkts der Überprüfung dessen, ob die VP insbesondere im Hinblick auf die praktische Umsetzbarkeit hin angemessen sind,
zu kommentieren.
Dies haben die Unternehmen auf insgesamt 135 Seiten erschöpfend getan und der Text ist am 29. Oktober 2012 veröffentlicht worden.
Die OECD hat festgestellt, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansätze hinsichtlich des Zeitbezugs des Fremdvergleichsgrundsatzes verfolgen:
- Ex-ante-Ansatz ("Price Setting Approach"): Hier wird der Fremdvergleich im Zeitpunkt der VP-Festsetzung geführt. Dieser VP darf nicht mehr rückwirkend angepasst werden. Die VP-Ermittlung basiert also auf den zum Zeitpunkt der Transaktionsausübung vorhandenen Daten/Kenntnissen (Historie und/oder Forecast). Die Fremdvergleichsdaten stammen stets aus älteren Perioden als dem zu testenden Jahr.
- Ex-post-Ansatz ("Outcome Testing Approach"): Der Fremdvergleich wird "im Nachhinein" geführt. Hier wird das aus den konzerninternen Transaktionen resultierende tatsächliche Ergebnis mit Fremdvergleichsdaten verprobt. Dies soll i. d. R. am Wirtschaftsjahresende oder bei Abgabe der Steuererklärung geschehen. Die Fremdvergleichsdaten sind jünger als bei dem Ex-ante-Ansatz, idealerweise aus dem Jahr, das getestet wird.
Die Tatsache, dass es beide Ansätze gibt, führt zu verschiedenen Schwierigkeiten bzw. Fragestellungen:
- Was ist der "richtige" Zeitpunkt, zu dem die Fremdvergleichsdaten erhoben werden sollen, sodass sich sowohl Unternehmen wie auch Finanzverwaltungen auf eine einheitliche verlässliche und nachprüfbare Datenbasis beziehen können?
- Was ist der "richtige" Zeitpunkt, zu dem die Unternehmen VP-Anpassungen durchführen/buchen sollen? Z. B. am Wirtschaftsjahresende, zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung etc.? Werden derartige (positive oder negative) VP-Anpassungen von allen OECD-Mitgliedstaaten akzeptiert?
- Dürfen Ex-post-Daten, d. h. Daten, die erst nach dem Zeitpunkt der VP-Bildung bzw. nach Ablauf des Wirtschaftsjahres verfügbar sind, zur Überprüfung der Angemessenheit der "alten" Zeiträume/Transaktionen/Budgets/Forecasts verwendet werden?
- Da insbesondere die IP-Bewertung stets mit Unsicherheiten behaftet ist, zeigt sich das besondere Interesse der Finanzverwaltungen an nachträglichen, rückwirkenden Preisanpassungen (in Deutschland leider einseitig zulasten des Steuerpflichtigen).
- Im Ergebnis führen unterschiedliche Auslegungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich des Zeitbezugs zu Doppelbesteuerungen und nachfolgenden langwierigen Verständigungs-/Schiedsverfahren.
Im Rahmen der grundsätzlichen Überarbeitung der OECD VP-RL innerhalb des BEPS Projekts im Jahr 2017 wurden die Textziffern 3.67 ff. zu den "timing issues" wie folgt geändert:
Zitat
3.67 Zeitfragen bei der Vergleichbarkeit stellen sich hinsichtlich des Ursprungs-, Erhebungs- und Erstellungszeitpunkts der Informationen zu Vergleichbarkeitsfaktoren und vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfällen, die in einer Vergleichbarkeitsanalyse verwendet werden. Vgl. Ziffer 5.27 und 5.36. in Kapitel V wegen Erläuterungen zu Zeitfragen im Kontext der Anforderungen an die Verrechnungspreisdokumentation.
3.68 Im Prinzip wird erwartet, dass Informationen hinsichtlich der Bedingungen der vergleichbaren Fremdgeschäftsvorfälle, die im gleichen Zeitraum begonnen oder durchgeführt wurden wie der konzerninterne Geschäftsvorfall ("zeitgleicher Fremdgeschäftsvorfall"), die verlässlichsten Informationen für eine Vergleichbarkeitsanalyse darstellen, weil sie zeigen, wie unabhängige Unternehmen sich in einem wirtschaftlichen Umfeld verhalten haben, das mit dem wirtschaftlichen Umfeld des konzerninternen Geschäftsvorfalls des Steuerpflichtigen identisch ist. Abhängig vom Zeitpunkt der Datenerhebung können Informationen zu zeitgleichen Fremdgeschäftsvorfällen in der Praxis möglicherweise nur eingeschränkt verfügbar sein.
3.69 In manchen Fällen erstellen Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Durchführung ihrer konzerninternen Geschäftsvorfälle, d. h. ex ante, eine Verrechnungspreisdokumentation, um zu zeigen, dass sie hinreichende Anstrengungen unternommen haben, um den Fremdvergleichsgrundsatz zu befolgen (im Folgenden als "Arm's length price-setting"-Ansatz bezeichnet), und zwar anhand von Informationen, die ihnen zu diesem Zeitpunkt vernünftigerweise zugänglich waren. Zu solchen Informationen gehören nicht nur Daten über vergleichbare Geschäftsvorfälle aus früheren Jahren, sondern auch wirtschaftliche Veränderungen und Marktveränderungen, die sich möglicherweise zwischen den früheren Jahren und dem Jahr des konzerninternen Geschäftsvorfalls ereignet haben. In der Tat würden unabhängige Geschäftspartner unter vergleichbaren Umständen ihren Preis nicht allein auf der Basis von Vergangenheitswerten festlegen.
3.70 In anderen Fällen könne...