Bei einem Joint Audit werden im Rahmen einer gemeinsamen und koordinierten steuerlichen Außenprüfung unter Beteiligung von mindestens zwei betroffenen Staaten die steuerlichen Verhältnisse auf dem Gebiet der direkten Steuern zeitgleich untersucht. Die Besonderheit ist hierbei, dass neben den nationalen Behörden auch ausländische Prüfer Ermittlungshandlungen im Inland durchführen dürfen. Auch wenn diese Ermittlungshandlungen ausländischer Prüfer im Inland unter dem Vorbehalt stehen, dass der Steuerpflichtige zustimmt (§ 10 Absatz 3 EUAHiG), kann ein Joint Audit im Regelfall rechtlich nicht verhindert werden.
Die Prüfung erfolgt dabei grundsätzlich nach denselben verfahrensrechtlichen Vorschriften der jeweiligen Staaten wie sie im Rahmen einer "normalen" Außenprüfung gelten, wobei die Befugnisse ausländischer Prüfer im Inland durch die inländischen Rechtsnormen beschränkt sind. Rechtliche Grundlage für den im Rahmen dieser Prüfungen erfolgenden Informationsaustausch ist innerhalb der Europäischen Union die EU-Amtshilferichtlinie RL 2011/16/EU vom 15. Februar 2011, die in Deutschland mit dem EU-Amtshilfegesetz vom 26. Juni 2013 in nationales Recht umgesetzt wurde. Ergänzt werden diese Regelungen durch § 117 AO. Darüber hinaus ist inzwischen mit fast allen Drittstaaten eine Zusammenarbeit im Rahmen eines Joint Audits über Artikel 26 des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens sowie das Amtshilfeübereinkommen (Convention on mutual administrative assistance in tax matters) vom 16. Juli 2015 (Artikel 8, 9) möglich. Verwaltungsanweisungen finden sich zudem im "Merkblatt zur zwischenstaatlichen Amtshilfe durch Informationsaustausch in Steuersachen" sowie im "Merkblatt über koordinierte steuerliche Außenprüfungen mit Steuerverwaltungen anderer Staaten und Gebiete".
Ziel von Joint Audits ist insbesondere eine Vermeidung von doppelter Besteuerung (und aus Finanzverwaltungssicht doppelter Nichtbesteuerung) bei internationalen Sachverhalten multinational tätiger Unternehmensgruppen, beispielsweise im Bereich der Verrechnungspreise. Aus Praktikersicht bieten sich Joint Audits oft an, um langwierige Verständigungsverfahren zu vermeiden. Für eine Vor-/Nachteilsbetrachtung verweisen wir auf die Zusammenfassung am Ende des Kapitels.
Durch die gemeinsame und zeitgleiche Prüfung wird erreicht, dass die involvierten Staaten vom gleichen Sachverhaltsverständnis ausgehen und es der Besteuerung zugrunde legen. Dieses gemeinsame Sachverhaltsverständnis wird nach jedem Interviewtermin und nach Abschluss der Prüfung in einem abgestimmten Ergebnisprotokoll in den Sprachen der Länder der beteiligten Betriebsprüfer festgehalten. Dadurch lassen sich Doppelbesteuerungsfälle vermeiden, die andernfalls allein aufgrund unterschiedlicher Sachverhaltsannahmen (z. B. voneinander abweichende Funktions- und Risikoprofile der im Rahmen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes involvierten Unternehmen) entstehen könnten. Rechtssicherheit im Hinblick auf das Vermeiden einer Doppelbesteuerung bietet das Joint Audit jedoch nicht, da die involvierten Staaten auf Basis des gemeinsamen Sachverhaltsverständnisses sowie der jeweiligen national-rechtlichen Vorschriften dennoch zu unterschiedlichen steuerlichen Schlussfolgerungen kommen können. In der Praxis ist es jedoch so, dass bei nahezu allen Joint-Audit-Fällen mit deutscher Beteiligung ein deutlich langwierigeres Verständigungsverfahren vermieden wurde. Sofern sich ein Verständigungsverfahren anschließen sollte, könnte es aber aufgrund des in der gemeinsamen steuerlichen Außenprüfung ermittelten Sachverhalts schneller und effizienter abgeschlossen werden.
Voraussetzung für die Durchführung eines Joint Audit sind deckungsgleiche Prüfungszeiträume, für die verfahrensrechtlich noch keine bestandskräftigen Steuerbescheide erlassen worden sind. Ein Rechtsanspruch seitens des Steuerpflichtigen auf Einleitung eines Joint Audit besteht indes nicht; er kann lediglich ein solches bei seinem zuständigen Finanzamt anregen. Praxiserfahrungen zeigen, dass das Bundeszentralamt für Steuern jedoch sehr offen für Joint Audits ist, sodass die Steuerpflichtigen hier auf Unterstützung hoffen dürfen.
Andererseits hat der Steuerpflichtige nur begrenzte rechtliche Möglichkeiten, um ein Joint Audit zu unterbinden, auch wenn er gemäß § 117 Abs. 4 S. 3 AO stets vorab anzuhören ist. So hat beispielsweise das Finanzgericht Köln mit Urteil vom 23. Mai 2017 entschieden, dass die deutsche Finanzbehörde zur Überprüfung von Verrechnungspreisen befugt ist, mit der Finanzverwaltung der Niederlande eine gleichzeitige Betriebsprüfung der deutschen Tochtergesellschaft und niederländischen Muttergesellschaft zu vereinbaren und durchzuführen sowie die hierfür notwendigen Informationen zu übersenden. Insbesondere stehe dem nicht das Steuergeheimnis entgegen. Einwendungen können jedoch im Einzelfall ggf. gegen die Art der ausgetauschten Informationen geltend gemacht werden. So dürfen beispielsweise keine Geschäfts- oder ...