Jörg Hanken, Guido Kleinhietpaß
Die Entscheidung, welcher Artikel verkauft wird, fällt in den meisten Branchen im Verkaufsgespräch beim Kunden. Sofern der Vertrieb Einfluss ausüben kann, wird er versuchen, besonders die margenstarken Artikel zu verkaufen. Beispielhaft wird für die Wiederverkaufspreismethode und die Kostenaufschlagsmethode untersucht, wie sich die vom Vertrieb wahrgenommene Marge (›Quasi-DB‹) verändert.
Die bisherigen Zahlen sind bereits teilweise analysiert und bekannt. Darum wird das Zahlenbeispiel fortgeführt. Auch die beiden beispielhaften Engpässe Stückzahl und Umsatz werden darum beibehalten.
Resale-Minus-Methode
Stellen wir uns eine ausländische Routinevertriebsgesellschaft (›RVG‹) vor. Der Verrechnungspreis für die zu beziehenden Produkte wird mit der Wiederverkaufspreismethode (Resale-Minus-Methode) bestimmt. Die Frage lautet: Wird dadurch die Verkaufsreihenfolge der Vertriebsgesellschaft beeinflusst? Zur Erinnerung: So sieht die korrekte Reihenfolge der Artikel aus Konzern-DB-Sicht aus:
Abb. 208: Rangfolge der Artikel aus Konzern-DB-Sicht
Grundsätzliche betriebswirtschaftliche Überlegungen sind bereits in Teil C, Kapitel 17.2.1 und 17.3.1 angestellt worden. Ergänzend sollen die Auswirkungen auf wichtige Steuerungsgrößen einer Vertriebsgesellschaft untersucht werden. Dazu wird der Bruttoabschlag beispielhaft mit 10 % angesetzt. Bei einem Verkaufspreis von z. B. 600 EUR je Stück beträgt der Bruttoabschlag 60 EUR. Der Verrechnungspreis beträgt dann 540 EUR. Diese 540 EUR stellen den Wareneinstandspreis für den Vertrieb dar. Er sieht in seinem Bereich eine Marge von (600 – 540 =) 60 EUR DB I je Stück, den ›Quasi-DB‹.
Abb. 209: Resale-Minus 10 %
Fazit
Wird als Verrechnungspreissystematik ein prozentualer Bruttoabschlag auf den Verkaufspreis gewählt, so erzielt der Vertrieb immer eine gesicherte Bruttomarge. Sie ist so hoch wie der steuerliche Abschlag. Steuerlich ist damit das Routineunternehmen funktions- und risikoadäquat (d. h. steuerlich angemessen) vergütet. Allerdings ist die Bruttomarge in Form des Quasi-DBU immer für alle Artikel gleich hoch – nämlich 10 %. Der Vertrieb kann zumindest auf Basis des Quasi-DBU nicht mehr erkennen, welchen Artikel er verkaufen soll, wenn der Kunde ein begrenztes Einkaufsbudget hat. Alle Artikel haben methodisch bedingt die gleiche Marge, und zwar immer in Höhe des vorgenommenen Abschlags. Der Vertrieb ist indifferent bezüglich seiner Verkaufsziele. Der Quasi-DBU ist deshalb als Information wertlos geworden. Je höher der Abschlag, desto höher erscheint die gezeigte Quasi-Marge. Es ist darum auch nicht mehr sinnvoll, dass der Vertrieb in seiner Bonusvereinbarung an dem Quasi-DBU (Umsatzrendite des Vertriebs) gemessen wird. Diese beträgt immer 10 %, weil sich dieser Wert ergeben sollte, um den steuerlichen Anforderungen zu genügen. Vorbehaltlich von Ineffizienzen in der Vertriebsgesellschaft können keine größeren Abweichungen von der steuerlich akzeptablen Zielmarge auftreten. Vertriebs- und Beteiligungscontroller müssen sich darum Gedanken um andere Zielmaßstäbe zur Bonifizierung des Vertriebs machen. Denkbar wären klassische, d. h. ›althergebrachte‹ Zielgrößen wie z. B. Neukundengewinnung, Absatzmengen, prozentuale Steigerungsraten, Kostenabweichungen etc. Diese sind zwar prinzipiell sinnvoll. Allerdings sind sie in Verbindung mit einem kompletten Verzicht auf eine Rendite bzw. auf einen Gewinn (in EUR) ein methodischer Rückschritt für das Controlling. Nun müssen viele Details zentral ›von oben‹ vorgegeben werden. Damit wird nicht mehr nur das Ziel vorgegeben, sondern auch noch der Weg der Zielerreichung festgelegt. Das schränkt den Handlungsspielraum und damit die Flexibilität der untergeordneten Mitarbeiter ein. So wird das für die Motivation wichtige Prinzip der ›Selbstbestimmtheit‹ untergraben. Das ›Fehlen individueller Freiräume‹ ist ein wesentlicher Einflussfaktor, welcher die Motivation untergräbt. Darüber hinaus muss man sich fragen, woher die Zentrale dieses lokale Wissen über den Markt hat? Der strategische Grundsatz ›all business is local‹ wird damit komplett ausgehebelt. Dies ist bei den später im Kapitel 22.4 vorgestellten Firmenbeispielen zu bedenken. Andererseits zeigt die Praxis auch immer wieder, dass eine zu starke Fokussierung des lokalen Managements auf das EBIT der lokalen Gesellschaft zu einer ›Silo-Optimierung‹ führen kann, die aus Konzernsicht nicht zum optimalen DB führt. Wichtig ist jedenfalls, Finanzkennzahlen zu verwenden, die möglichst frei von VP-Beeinflussung sind. Insofern ist eine Gewinngröße zumindest dann sehr zu begrüßen, wenn sie z. B. auf einer konsolidierten Ergebnisrechnung (und nicht auf einer Einzel-Gesellschafts-GuV) beruht.
Anders verhält es sich mit der Zielgröße ›Quasi-DB/Stück‹. Die Rangfolge auf der Basis ›Stück‹ bleibt von der Verrechnungsmethode unberührt. Artikel A wird mit 60 EUR DB I je Stück zutreffend als das attraktivste Produkt ausgewiesen. Wäre der Bruttoabschlag steuerlich höher festgesetzt worden, z. B. 20 %, so würden ...