Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das Niedersächsische FG entschied mit Urteil v. 12.11.2012, dass für teilstationäre Reha-Einrichtungen die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG gilt. Das Gericht erachtet es als unerheblich, ob ein Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB V abgeschlossen wurde.
Sachverhalt
Ein selbständiger Physiotherapeut betrieb ein Rehabilitationszentrum, in dem er unterschiedliche Fachkräfte beschäftigte (Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter etc.). Er unterhielt Verträge mit einer Vielzahl von Sozialversicherungsträgern, die eine Erbringung von besonderen Rehabilitationsmaßnahmen vorsahen. Seine Patienten hielten sich regelmäßig 4 bis 6 Stunden in der Einrichtung auf; sie unterzogen sich in dieser Zeit verschiedenen Reha-Maßnahmen und erhielten ein Mittagessen. In der Regel erschienen sie 5 Mal wöchentlich für einen Zeitraum von insgesamt 3 Wochen in der Einrichtung. Das Reha-Zentrum vereinnahmte 80 % seiner Honorare von den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung. Das Finanzamt des Physiotherapeuten war der Ansicht, dass der Gewinn aus den Rehabilitationsleistungen gewerbesteuerpflichtig ist, der Physiotherapeut berief sich demgegenüber auf die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG.
Entscheidung
Das FG entschied, dass die Erträge aus der Rehabilitation von der Gewerbesteuer befreit sind. Vorliegend greift die Vorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG. Entscheidend für die Steuerbefreiung ist die Frage, ob der Physiotherapeut eine ambulante oder eine teilstationäre Reha-Einrichtung betrieben hat. Denn der BFH hat sich bei ambulanten Einrichtungen gegen eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 20 GewStG ausgesprochen (BFH, Urteil v. 22.10.2003, I R 65/02, BStBl 2004 II S. 300), wohingegen das FG die Steuerbefreiung bei teilstationären Reha-Einrichtungen für anwendbar hält. Im vorliegenden Fall ist von einer steuerbefreiten teilstationären Einrichtung auszugehen, da sich die Patienten 4 bis 6 Stunden an 5 Tagen die Woche in der Einrichtung aufhielten und dort teilweise verpflegt wurden. Daraus schloss das Gericht, dass die Patienten physisch und organisatorisch in das Versorgungssystem der Einrichtung einbezogen waren (= Voraussetzung des BFH zur Annahme einer teilstationären Unterbringung). Dass die Patienten nicht in der Einrichtung übernachteten, erachtete das FG als unerheblich.
Hinweis
Auch die Finanzverwaltung sieht für teilstationäre Rehabilitationseinrichtungen grundsätzlich die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG vor. In Abweichung zum vorgenannten Urteil setzt sie aber voraus, dass die Voraussetzungen eines Versorgungsvertrags nach §§ 107, 111 SGB V erfüllt sind (R 3.20 Abs. 4 S. 1 GewStR). Das FG knüpft die Steuerbefreiung ausdrücklich nicht an diese Voraussetzung an. Es bleibt abzuwarten, wie sich der BFH im anhängigen Revisionsverfahren (Az. X R 2/13) positionieren wird.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.11.2012, 7 K 10204/09