Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
Bei einer Personengesellschaft geht die Möglichkeit zum Verlustabzug nach § 10a GewStG insoweit verloren, als der Fehlbetrag aus vorangegangenen Erhebungszeiträumen anteilig auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt. Dies gilt auch dann, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter über eine Organgesellschaft (GmbH) mittelbar an der Personengesellschaft (KG) beteiligt bleibt.
Normenkette
§§ 10a, 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG
Sachverhalt
Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, war die V-GmbH (ohne Kapitalanteil). Kommanditist der Klägerin war u.a. die D-AG mit einem Anteil von 96 %. Die D-AG war auch an der V-GmbH beteiligt. Mit Wirkung ab 1.1.1991 veräußerte die D-AG sowohl ihren Kommanditanteil an der Klägerin als auch ihren Anteil an der V-GmbH an die S-GmbH. Die S-GmbH ist eine 100%ige Tochter der D-AG und dieser organschaftlich untergeordnet. Der Gewerbeertrag der Klägerin betrug im Streitjahr 1991 454560 DM. Die GewSt-Fehlbeträge der Klägerin beliefen sich auf den 31.12.1990 auf insgesamt 23627683 DM.
Die Klägerin begehrte, den GewSt-Messbetrag 1991 mit 0 DM festzusetzen und auf den 31.12. 1991 einen vortragsfähigen Gewerbeverlust in Höhe von 23073123 DM festzustellen. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, der vorgetragene Verlust müsse insoweit unberücksichtigt bleiben, als er auf die ausgeschiedene D-AG entfalle. Die Klage blieb erfolglos. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.
Entscheidung
Der Verlustabzug nach § 10a GewStG setzt neben der Unternehmensidentität auch die Unternehmeridentität voraus. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige, der den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust zuvor in eigener Person erlitten haben muss. Ist der Steuerpflichtige eine Personengesellschaft, geht dieser die Möglichkeit zum Verlustabzug insoweit verloren, als der Fehlbetrag aus vorangegangenen Erhebungszeiträumen anteilig auf den ausgeschiedenen Mitunternehmer entfällt (vgl. BFH, Beschluss vom 3.5.1993, GrS 3/92, BStBl II 1993, 616).
Dies gilt selbst dann, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter über eine andere Personengesellschaft (Obergesellschaft) weiterhin an der Untergesellschaft mittelbar beteiligt bleibt (BFH, Urteil vom 26.6.1996, VIII R 41/95, BStBl II 1997, 179). Dies gilt entsprechend für eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft. Der Grundsatz, dass der Verlustabzug nach § 10a GewStG Unternehmens- und Unternehmeridentität voraussetzt, gilt auch für organschaftlich verbundene Unternehmen (BFH, Urteil vom 23.1.1992, XI R 47/89, BStBl II 1992, 630).
Das hat zur Folge, dass weder das Rechtsverhältnis der Klägerin zum Organträger D-AG noch das Rechtsverhältnis der Klägerin zur Organgesellschaft S-GmbH die Rechtsgrundlage für den Abzug des auf die D-AG entfallenden Anteils an Fehlbeträgen der Klägerin aus den Erhebungszeiträumen vor 1991 sein kann.
Hinweis
1. Das Besprechungsurteil liegt auf der Linie des Urteils des I. Senats des BFH vom 8.1.1963 (I 237/91 U, BStBl III 1963, 188). Dort ist der I. Senat in einem nahezu identischen Fall zum selben Ergebnis gekommen, indem er die so genannte Filialtheorie (uneingeschränkte Einheitstheorie) ablehnte, die noch der RFH vertreten hatte und die auch in der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG ihren Niederschlag gefunden hat.
2. Allerdings finden sich in der neueren Rechtsprechung des I. Senats des BFH Tendenzen, die – im Anwendungsfeld des § 10a GewStG – auf eine Wiederbelebung der "Filialtheorie" gerichtet sind (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.6.1990, I R 183/85, BStBl II 1990, 916). Die im zuletzt zitierten Urteil entwickelten Grundsätze könnten dafür sprechen, dass der gewerbesteuerrechtliche Verlustvortrag einer Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) auch insoweit nicht verloren geht, als der Organträger als bisheriger Mitunternehmer seinen Mitunternehmeranteil auf seine Organtochter überträgt.
Wie dem auch sei – das Besprechungsurteil hat einen anderen Rechtsstandpunkt eingenommen, so dass bis auf weiteres zwecks Vermeidung der (anteiligen) Einbuße des gewerbesteuerlichen Verlustvortrags von solchen Transaktionen Abstand genommen werden sollte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.8.2000, VIII R 1/00