Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuererklärungspflicht des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren. Erzwingung der Abgabe von sog. Nullmeldungen mittels Zwangsgeldfestsetzung ermessensfehlerhaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 34 Abs. 3 S. 1 AO hat ein Vermögensverwalter die steuerlichen Pflichten wie ein gesetzlicher Vertreter nach § 34 Abs. 1 AO zu erfüllen, wenn eine Vermögensverwaltung einer anderen Person als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zusteht. Vermögensverwalter in diesem Sinn ist insbesondere der Insolvenzverwalter.
2. Den Verwalter treffen in der Insolvenz einer GmbH die Erklärungs- und Bilanzierungspflichten auch dann, wenn das Honorar eines Steuerberaters für die Erstellung dieser Erklärungen durch die Insolvenzmasse nicht gedeckt sein sollte.
3. Es erscheint ermessensfehlerhaft, die formelle Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Abgabe von Bilanzen und Steuererklärungen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine (positive) Steuerschuld auslösen, mittels Zwangsgeldfestsetzung durchzusetzen.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, 3, § 328 Abs. 1, § 5
Nachgehend
Tenor
1. Die Bescheide über die Festsetzung von Zwangsgeld betreffend die Zeiträume 3. September 2001 bis 31. Dezember 2004 sowie die Kalenderjahre 2005 bis 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Umstritten sind Zwangsgeldfestsetzungen gegenüber dem Kläger in seiner Funktion als Insolvenzverwalter über das Vermögen der TKB GmbH.
Über das Vermögen der TKB GmbH hat das Amtsgericht G im September 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter ernannte das Gericht den Kläger.
Der Beklagte forderte den Kläger mehrfach auf, die Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen, die Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen der Insolvenzschuldnerin für die Kalenderjahre 2004 bis 2008 abzugeben. Nachdem der Kläger auf diese Aufforderungen nicht reagiert hatte, drohte der Beklagte mit jeweils gesonderten Bescheiden dem Kläger die Festsetzung von Zwangsgeld an, soweit er nicht für die Zeiträume 3. September 2001 bis 31. Dezember 2001 sowie die Kalenderjahre 2005 bis 2008 Steuererklärungen nebst Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen vorlegen werde. Je einzureichender Steuererklärung drohte er ein Zwangsgeld i. H. v. 200 Euro an (600 Euro je Androhungsbescheid; insgesamt 3.000 Euro).
Der Kläger legte gegen die Zwangsgeldandrohungen Einspruch ein. Er machte geltend, gegenwärtig den Schlussbericht zu fertigen. Danach ergab sich aus der verfügbaren Zahlungsmasse ein Massebestand i. H. v. 10.357,41 Euro. Im März 2010 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Zwangsgeldandrohungen vom Oktober 2009 als unbegründet zurück.
Im Dezember 2009 erließ der Beklagte jeweils gesonderte Bescheide, in denen er gegenüber dem Kläger Zwangsgelder in der angedrohten Höhe (jeweils 600 Euro je Kalenderjahr insgesamt) festsetzte. Mit seinem Einspruch gegen die Festsetzungsbescheide machte der Kläger geltend, er halte die Zwangsgeldfestsetzungen für unbillig und unangemessen. Das Insolvenzverfahren sei abschlussreif. Die Schlussunterlagen habe er dem Beklagten bereits übermittelt. Er lege nochmals die entsprechenden Kontenjournale vor.
Der Beklagte hat die Einsprüche des Klägers mit Entscheidung unter Hinweis auf § 34 Abs. 3 der Abgabenordnung 1977 (AO) als unbegründet zurückgewiesen. Der Insolvenzverwalter bleibe auch nach einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ve rpflichtet, die Steuererklärungen für eine Insolvenzschuldnerin zu erstellen. Darüber hinaus hätten die regulären Termine zur Abgabe der geforderten Unterlagen weit vor der Fertigung des Schlussberichts gelegen (31. Mai bzw. 30. September/31. Dezember – bei unterstellter allgemeiner Fristverlängerung).
Der Kläger hat dem Amtsgericht G im März 2010 die Masseunzulänglichkeit der Insolvenzschuldnerin gem. § 208 der Insolvenzordnung (InsO) angezeigt. Im Juli 2011 hat beim Amtsgericht der Schlusstermin stattgefunden. Der Kläger hatte dem Gericht insofern mitgeteilt und dargelegt, dass die vorhandene Masse zur Deckung der Kosten nach § 54 InsO nicht hinreichend sei. Es war daher beabsichtigt, das Verfahren nach § 207 InsO einzustellen. Eine Einstellung des Verfahrens ist bisher nicht erfolgt.
Der Kläger ist der Ansicht, die Zwangsgeldfestsetzungen seien rechtswidrig. Das Insolvenzverfahren sei massearm. Bei der Insolvenzschuldnerin lägen die Voraussetzungen des § 207 InsO vor. Der aktuelle Kontoauszug des RechtsanwaltAnderkontos weise ein Guthaben i. H. v. 5.419,08 Euro aus. Ferner verweise er auf die Vermögensverhältn...