rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Reisekosten zu Seminaren und Treffen der anonymen Akkoholiker als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (redaktionell)
1. Aufwendungen eines Alkoholabhängigen für Reisekosten zu Treffen der anonymen Alkoholiker sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn der Suchtkranke als geheilt gilt und für ihn keine klinische Notwendigkeit mehr besteht, seine Gruppenbesuche aufrecht zu erhalten. Nur solche Kosten werden als außergewöhnliche Belstung anerkannt, die im akuten Krankheitsstadium entstehen. Kosten, die im Rahmen der Nachsorge entstehen oder den Suchtkranken gegen einen Rückfall stärken sollen, fallen nicht darunter.
2. Aufwendungen eines Stpfl., der die Funktion eines Suchtbetreuers wahrnimmt und in dieser Funktion an Gruppenleiterbesprechungen von Selbsthilfegruppen teilnimmt, für Reisekosten zu solchen Treffen sind nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig i. S. des § 33 EStG.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1-2
Tatbestand
Umstritten ist, ob Aufwendungen für Reisekosten zu Seminaren und Treffen der anonymen Alkoholiker als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden können.
Der Kläger ist Facharbeiter und nach eigenen Aussagen alkoholkrank. Aus diesem Anlass nahm er an Zusammenkünften einer Selbsthilfegruppe der „anonymen Alkoholiker” teil. Zusätzlich nahm er im Streitjahr die Funktion eines Suchtbetreuers wahr. In dieser Funktion besuchte er Seminare mit dem Themenkreis „Alkoholsuchtbekämpfung” und leitete Selbsthilfegruppen.
In seinem Bescheid für 1997 über Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmer-Sparzulage vom 17. August 1998 lehnte der Beklagte die Anerkennung von Aufwendungen für Anreise, Übernachtungen und Verköstigungen im Rahmen der Treffen der „anonymen Alkoholiker” und weiterer Seminarveranstaltungen und weitere nicht näher spezifizierte Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung in Höhe von 6.876 DM ab, weil sie dem Grunde nach nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gewesen seien. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos.
Die Kläger machten mit ihrer Klage zunächst außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 7.495 DM geltend. Sie tragen vor, die Aufwendungen beruhten auf Fahrten zu Seminaren, Gesprächen der anonymen Alkoholiker, notwendigen Übernachtungskosten und sonstigen Ausgaben. Sie sind der Ansicht, ihnen seien zwangsläufig höhere Aufwendungen gegenüber der überwiegenden Mehrzahl der übrigen Steuerpflichtigen vergleichbaren Einkommens entstanden, da sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit gedient hätten.
Die entstandenen Aufwendungen seien zudem außergewöhnlich gewesen. Denn im Krankheitsfalle werde die Außergewöhnlichkeit von Aufwendungen zur Linderung in der Regel unterstellt. Zwangsläufig seien Aufwendungen auch dann, wenn der Steuerpflichtige seinen Krankheitszustand selbst herbei geführt habe. Auch Aufwendungen zur Heilung von Trunksucht würden als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Dies sei insbesondere dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige krank und die den Aufwendungen zu Grunde liegende Art der Behandlung medizinisch notwendig sei. Die Rechtsprechung gehe davon aus, dass Alkoholismus als Krankheit zu behandeln sei. Als wirksame Methode einer Nachbehandlung habe sich die Therapieform der so genannten Gruppentherapie herausgestellt, so dass entsprechende Aufwendungen – bei medizinischer Indizierung – als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen seien.
Entgegen der Ansicht des Beklagten, hätte der Kläger eine Alkoholkrankheit in hinreichender Form nachgewiesen. Im Übrigen sei eine ärztliche Verordnung nicht möglich, da es sich bei der Teilnahme an Veranstaltungen der „anonymen Alkoholiker” um eine freiwillige Maßnahme handele.
Der steuerlichen Anerkennung habe auch nicht die exponierte Stellung des Klägers in der Gruppe entgegengestanden, da das Funktionieren einer Selbsthilfegruppe auch auf die Initiative ihrer Mitglieder angewiesen sei. Dass der Kläger insoweit eine Art leitende Funktion eingenommen habe, habe nicht dazu geführt, dass er lediglich als Suchtberater anderen Teilnehmern bei der Überwindung ihrer Krankheit geholfen habe. Vielmehr sei diese aktive Rolle gleichzeitig auch Bestandteil seiner Therapie. Keinesfalls sei es so gewesen, dass er im streitigen Zeitraum bereits die Krankheit überwunden und ohne die Teilnahme an den Gruppenveranstaltungen als gesunder Mensch hätte leben können.
Die Kläger verweisen zusätzlich auf eine Empfehlung Dr. XYs, Arzt im Landesfachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie, in dem dieser dem Amtsarzt Dr. KL empfiehlt, die Arbeit in der Selbsthilfegruppe als therapeutische und medizinisch angeordnete Maßnahme zu bestätigen. Wegen der geltend gemachten Aufwendungen wird auf die Aufstellung der Kläger in ihrem Schriftsatz vom 1. März 2000 verwiesen.
Sie beantragen,
den Bescheid für 1997 über Einkommensteuer, Kirchensteuer, Solidaritätszuschlag und Arbeitnehmer-Sparzulage vom 17. August 1998 in Gestalt der Ei...