rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung bei Beginn der unternehmerischen Tätigkeit ohne Umsatzerzielung im laufenden Jahr und einem über 17.500 EUR, aber unter 50.000 EUR liegenden Umsatz im Folgejahr
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Anwendung der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung ist kein vorheriger (rechtzeitiger) Antrag erforderlich.
2. Verhandelt ein leitender Angestellter bereits vor dem Eintritt in den Ruhestand im laufenden Jahr mehrfach über eine anschließende selbständige Beratertätigkeit für seinen bisherigen Arbeitgeber, die mit Beginn des Folgejahres aufgenommen werden soll und auch tatsächlich aufgenommen wird, so ist er auch ohne eine Erzielung von Einnahmen aus der Beratertätigkeit aufgrund der Vorbereitungshandlungen bereits im laufenden Jahr Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG. Er kann daher die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in Anspruch nehmen, wenn sein Umsatz im laufenden Jahr 0 EUR beträgt, und damit unter dem Betrag von 17.500 EUR liegt, und wenn der Umsatz im Folgejahr über 17.500 EUR, aber unter 50.000 EUR liegt. Das gilt auch dann, wenn der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt weder in seiner Einkommensteuererklärung für das laufende Jahr noch in dem steuerlichen Erfassungsbogen eine unternehmerische Tätigkeit bereits im laufenden Jahr angezeigt hat.
Normenkette
UStG § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 3-4, § 2 Abs. 1 S. 3
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) im Streitjahr 2010. Streitig ist zwischen den Beteiligten insbesondere, ob es sich um das Erstjahr handelt oder ob der Kläger bereits in 2009 als Unternehmer anzusehen war.
Der Kläger war im Streitjahr 2010 als Berater für seinen ehemaligen Arbeitgeber, die A-gGmbH, unternehmerisch tätig. Vorher – bis zum 31.12.2009 – arbeitete er als Direktor eines Therapeutischen Zentrums bei der A-gGmbH. Aus Altersgründen schied er zum 31.12.2009 aus.
In den Einkommensteuererklärungen 2000 bis 2004 und 2007 hatte der Kläger geringe Einkünfte aus Vortragstätigkeit, die gemäß § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei gewesen seien, erklärt (Anlagen GSE, Bl. 44-49 d. A.). Umsatzsteuer-Erklärungen für diese Jahre gab er nicht ab.
Die am 01.09.2010 eingegangene Einkommensteuererklärung für 2009 enthielt keinerlei Anlagen bzw. Hinweise auf eine eventuelle selbständige Tätigkeit. Auch eine Umsatzsteuererklärung reichte der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht ein. Erst mit der am 21.01.2012 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2010 erfuhr der Beklagte von einer selbständigen Tätigkeit, da die Steuererklärung eine Anlage S enthielt. Darin hatte der Kläger einen Gewinn in Höhe von 27.600 EUR (Honorareinnahmen betrugen 32.880 EUR, Bl. 4 Umsatzsteuerakte) erklärt.
Der Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin einen steuerlichen Erfassungsbogen mit Ausfüllhilfe. Dieser ging am 06.03.2012 unter Mitwirkung des steuerlichen Beraters ausgefüllt und unterschrieben bei dem Beklagten ein. Danach sollte das Unternehmen mit dem Gegenstand „Schulung und Beratung im suchtpräventiven Bereich” zum 01.01.2010 neu gegründet worden sein (Bl. 3ff. Einkommensteuerakte). Im Jahr der Betriebseröffnung sollten die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit 27.600 EUR betragen. Unter Punkt 7. „Angaben zur Anmeldung und Abführung der Umsatzsteuer” hatte der Kläger keine Angaben gemacht, insbesondere hatte er auch nicht die Kleinunternehmerregelung nach Punkt 7.3. in Anspruch genommen.
Auf Anforderung des Beklagten ging am 06.06.2012 eine UmsatzsteuerJahreserklärung für 2010 ein. In dieser wurden die einen Kleinunternehmer betreffenden Kennzahlen ausgefüllt, wonach die Jahresumsätze für 2009 0 EUR und für 2010 32.880 EUR betragen haben. Am 13.06.2012 ging die zugehörige Honoraraufstellung ein, aus der sich die monatlichen Honorareinnahmen ergaben (Bl. 4 Umsatzsteuerakte).
Mit Schreiben vom 29.06.2012 informierte der Beklagte den Kläger darüber, dass er von der Erklärung abweichen wolle (Bl. 5 Umsatzsteuerakte). Die Kleinunternehmerregelung komme nicht zum Tragen, da bei Umrechnung der Umsätze der ersten drei Monate in einen Jahresumsatz die Grenze von 50.000 EUR bereits überschritten worden wäre. Die erklärten Umsätze müssten regelversteuert werden. Der Beklagte schätzte Vorsteuerbeträge i.H.v. 500 EUR.
Der entsprechende Umsatzsteuerbescheid für 2010 erging am 03.08.2012 (Bl. 9 Umsatzsteuerakte) und stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Danach betrug die Umsatzsteuer 5.747,20 EUR. Den hiergegen gerichteten und verspätet eingegangenen Einspruch vom 08.09.2012 verwarf der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2013 als unzulässig (Bl. 13ff. Umsatzsteuerakte).
Mit Schreiben vom 04.10.2012 beantragte der Kläger die schlichte Änderung des Umsatzsteuerbescheides gemäß § 172 AO, mit dem er weiterhin die Anwendung der Kleinunternehmerregelung begehrt (Bl. 17ff. Umsatzsteuerakte). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 19.10.2012 ab, da er nicht fri...