rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Totalgewinnprognose und Gesamtwürdigung einer künstlerischen Tätigkeit hinsichtlich Liebhaberei
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch bei der Tätigkeit eines Künstlers ist bei der Totalgewinnprognose zu berücksichtigen, dass sich positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen lassen.
2. In die gebotene Gesamtwürdigung sind bei einer künstlerischen Betätigung insbesondere folgende Gesichtspunkte einzubeziehen: Art der künstlerischen Berufsausbildung und Ausbildungsabschluss, künstlerische Tätigkeit als alleinige Existenzgrundlage des Steuerpflichtigen und ggf. seiner Familie, berufstypische professionelle Vermarktung, besondere betriebliche Einrichtungen (z. B. Atelier), Erwähnung in einschlägiger Literatur sowie die Erzielung gelegentlicher Überschüsse.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2 S. 1; FGO § 139 Abs. 2 S. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Verluste des Klägers aus seiner künstlerischen Tätigkeit steuermindernd zu berücksichtigen sind oder ob die Gewinnerzielungsabsicht insoweit zu verneinen ist.
Der Kläger ist – nach eigenen Angaben – als selbstständiger Grafiker und Maler tätig. Er absolvierte von 1977 bis 1979 eine Malerlehre und war von 1984 bis 1986 Theatermaler an der Landesbühne X.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 machte er hieraus einen Verlust aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 3.118 EUR geltend. Die Klägerin
erzielte im Streitjahr als Ärztin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 51.571 EUR.
Der Kläger erzielte bis einschließlich 1996 Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb „Grafiker-Maler-Galeriecafe”. Seit 1997 erklärte er Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Maler und Grafiker und zwar in folgender Höhe:
Veranlagungszeitraum |
erklärte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit |
Einnahmen (ohne Privatanteile und ohne Umsatzsteuer) |
1997 |
4.688 DM = 2.396,94 EUR |
24.924 DM |
1998 |
- 9.895 DM = -5.059,23 EUR |
924 DM |
1999 |
-13.161 DM = -6.729,11 EUR |
0 DM |
2000 |
-10.802 DM = -5.522,97 EUR |
0 DM |
2001 |
-10.509 DM = -5.373,17 EUR |
800 DM |
2002 |
-2.552 EUR |
5.140 EUR |
2003 |
-5.150 EUR |
0 EUR |
2004 |
-2.863 EUR |
0 EUR |
2005 |
-3.883 EUR |
0 EUR |
2006 |
-3.118 EUR |
3.000 EUR |
2007 |
-4.804 EUR |
0 EUR |
2008 |
-3.754 EUR |
0 EUR |
2009 |
-681 EUR |
0 EUR |
2010 |
-1.852 EUR |
0 EUR |
2011 |
3.335 EUR |
10.654 EUR |
Summe |
-45.609,54 EUR |
|
Bis auf die Jahre 1997, 1998 und 2001 sind die Steuerfestsetzungen noch nicht bestandskräftig. Aufgrund der fortgeschrittenen Verlustphase fragte das Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres 2006 mit Schreiben vom 22.04.2008 an, aus welchen betrieblich veranlassten Gründen die Tätigkeit trotz laufender Verluste weitergeführt werde, welche Maßnahme ergriffen wurden/werden, um die Ertragslage zu verbessern und aufgrund welcher Wirtschaftsplanung ein Totalgewinn angestrebt werde. Nachdem der Kläger auch nach einer Erinnerung nicht reagierte, erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid vom 18.06.2008. Darin erkannte er den Verlust mangels erkennbarer Gewinnerzielungsabsicht nicht an.
Hiergegen legten die Kläger am 08.07.2008 Einspruch ein. Die Erwirtschaftung von langjährigen Verlusten bei einer künstlerischen Tätigkeit spreche noch nicht gegen die Einkünfteerzielungsabsicht. Hierzu verweisen die Kläger auf die Entscheidung des BFH vom 06.03.2003 (XI R 46/01). Der Kunstmarkt sei in der aktuellen wirtschaftlichen Situation prägend für die negative Einkünfteentwicklung. Selbstverständlich habe der Kläger die Absicht, seine Werke – seit 1990 habe er 145 geschaffen – zu verkaufen. Sobald sich der Kunstmarkt aktiviere, wolle er alle Werke veräußern und neue schaffen.
Ferner habe er seit 1992 laufend an Ausstellungen teilgenommen, auf denen seine Kunstwerke präsentiert worden seien, um diese zu verkaufen. Hierzu reichte der Kläger eine Aufstellung ein, aus der sich die einzelnen Ausstellungen ergeben sollten. Danach habe er unter anderem in 2000 an einer Ausstellung, in 2001 an zwei Ausstellungen, in 2002, 2003 und 2004 an jeweils einer Ausstellung, in 2005 an drei Ausstellungen, im Streitjahr 2006 an keiner Ausstellung teilgenommen (Bl. 15ff. Rechtsbehelfsakte).
Zu den Werten seiner Werke gab der Kläger an, dass diese sich je nach Größe zwischen 2.000 und 4.000 EUR bei Gemälden und zwischen 200 und 250 EUR bei Zeichnungen bewege. Bei dem jetzigen Bestand ergebe sich dadurch ein Gesamtwert von ca. 240.000 EUR und ein erwarteter Verkaufserlös von ca. 400.000 bis 500.000 EUR.
Zu seiner fachlichen Qualifikation trägt der Kläger vor, keine künstlerische Berufsausbildung bzw. einen entsprechenden Abschluss vorlegen zu können. Dennoch habe er sich seit 1982 fast jährlich an der Hochschule für Bildende Künste der DDR beworben; allerdings sei er abgelehnt worden. Dessen ungeachtet seien von 1982 bis 1983 durch den Kläger selbst anatomische Studien bei Prof. Y der an der Hochschule in ...