Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für durch Vergleich beendetes Gerichtsverfahren wegen Baumängeln am neu errichteten Einfamilienhaus als außergewöhnliche Belastungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Zivilprozesskosten sind bis zum Veranlagungszeitraum 2012 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Da diese vom BFH im Rahmen einer „Filterfunktion” herangezogenen Begriffe der „hinreichenden Aussicht auf Erfolg” und der fehlenden „Mutwilligkeit/Leichtfertigkeit” mit den im Prozesskostenhilferecht in § 114 ZPO verwendeten Formulierungen vergleichbar sind, kann für deren Auslegung auf die hierzu bereits vorhandene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden.
2. Verweigert der Steuerpflichtige bei der Errichtung seines Einfamilienhauses wegen Baumängeln die Zahlung eines Teils des vereinbarten Werklohns eines Handwerkers, wird er von diesem verklagt und einigt er sich vor dem Landgericht auf einen Vergleich, bei dem der Steuerpflichtige überwiegend obsiegt, so sind die von dem Steuerpflichtigen getragenen, ihm nicht erstatteten Rechtsanwalts-, Gerichtskosten sowie die Aufwendungen für ein Sachverständigengutachten als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1 Fassung 2011; ZPO § 114
Tenor
1. Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 28.03.2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 02.08.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.04.2014 wird dahingehend geändert, dass Aufwendungen in Höhe von 2.457 Euro zu Gunsten der Kläger als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Kosten eines Zivilprozessverfahrens als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG.
Die verheirateten Kläger wurden im Streitjahr 2011 zusammen veranlagt und erzielten jeweils aus ihrer Tätigkeit als Polizeibeamte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Im Jahr 2011 fand vor dem Landgericht … ein Zivilrechtstreit statt, in dem die Kläger von einer Fa. A. GmbH auf Zahlung des restlichen Werklohns in Höhe von 6.529,40 Euro für die Errichtung des Einfamilienhauses der Kläger … in Anspruch genommen werden sollten und in dem es um die Feststellung und Beseitigung von Baumängeln an dem Neubau ging. Im Verhandlungstermin vom …2011 wurde ein Vergleich geschlossen, wonach die Kläger nur noch einen Betrag von 2.000 Euro zahlen mussten. Die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Rechtsstreits mussten die hiesigen Kläger nur 30 v.H. zahlen.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger Aufwendungen in Höhe von 4.281 Euro für mit dem Rechtsstreit in Zusammenhang stehende Aufwendungen für einen Rechtsanwalt und die Erstellung eines Gutachtens zunächst als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Mit Bescheid vom 28.03.2012 berücksichtigte der Beklagte die mit dem Bau des Einfamilienhauses in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht, weil sie privat veranlasst seien.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch begehrten die Kläger unter Hinweis auf die aktuelle BFH-Rechtsprechung den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG.
Nachdem der Beklagte im Rahmen des Einspruchsverfahrens aus anderen Gründen am 02.08.2012 einen Änderungsbescheid erlassen hatte, ruhte das Verfahren zunächst im Hinblick auf beim BFH anhängige Revisionsverfahren hinsichtlich des Abzugs der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen.
Nach erfolglosem Einspruch verfolgen die Kläger ihr Begehren unter Bezugnahme auf die BFH-Rechtsprechung weiter. Die Klägervertreter beantragten noch mit Schriftsatz vom 01.08.2014, dass Aufwendungen in Höhe von 4.281 Euro zu Gunsten der Kläger als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Der Berichterstatter wies die Klägervertreter telefonisch darauf hin, dass sich die Höhe der bis dahin durch die Kläger geltend gemachten Aufwendungen aus Rechnungen über Anwalts- und Gutachterkosten aus der Zeit von Juli bis Oktober 2011 ergab (vgl. Schreiben der Kläger vom … im Einspruchsverfahren …). Aus dem Vergleich vom …2011 vor dem Landgericht ergäbe sich aber, dass die hiesigen Kläger als dortige Beklagte nur 30 v.H. der Kosten des Zivilrechtsstreits zu tragen hatten. Der Berichterstatter regte insoweit an, einen geänderten Antrag zu stellen. Mit Schreiben vom 20.10.2014 trugen die Klägervertreter vor, die Kläger seien in Zusammenhang mit dem Zivilrechtsstreit endgültig mit Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.682,32 Euro belastet gewesen. Ein durch die Kläger in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten zur Mängelfeststellung habe dazu geführt, dass die Gegenseite im Zivilrechtsstreit auf Grund der durch den Sachverständigen festgestellten Mängel auf einen ganz überwiegenden Teil d...