Dipl.-Betriebsw. (FH) Manuela Spreitzer
4.6.1 Einzelwirtschaftsgüterübertragung zwischen Gesamthandsvermögen
Rz. 70
§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG regelt, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist, die Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern zwischen dem Betriebsvermögen eines Mitunternehmers und dem Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft und umgekehrt und damit den Grundfall der steuerneutralen Übertragung. Die Vorschrift erfasst die Fälle, in denen derselbe Steuerpflichtige zugleich einen Betrieb hat und als Mitunternehmer an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist.
Rz. 71
Sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG erfüllt, so muss das übertragene Wirtschaftsgut mit dem Buchwert bewertet werden. Die Bewertung des Wirtschaftsguts mit dem Buchwert ist nicht auf den ideellen Anteil des Mitunternehmers am Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens begrenzt; § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG ist zu beachten.
Rz. 72
Vater V und Sohn S betreiben eine GbR mit Einkünften aus Gewerbebetrieb. Im Sonderbetriebsvermögen des V befinden sich die wesentlichen Betriebsgrundlagen (Betriebsgrundstück). V scheidet in der Form aus der GbR aus, dass er nur die wesentlichen Betriebsgrundlagen behält. Das gesamte Gesamthandsvermögen geht auf S über, der den Gewerbebetrieb als Einzelunternehmen fortführt. V verpachtet die wesentlichen Betriebsgrundlagen unter Ausübung des Verpächterwahlrechts an S.
Lösung:
Bei der Übertragung der Wirtschaftsgüter aus dem Gesamthandsvermögens der GbR in das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens des S sind nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG zwingend die Buchwerte fortzuführen, vorausgesetzt S hat im Rahmen der Übertragung keine Verbindlichkeiten übernommen. Mangels Betriebsaufgabe liegt keine steuerneutrale Realteilung i. S. v. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG vor. Es liegt auch kein Fall des § 6 Abs. 3 EStG vor, da V zwar seinen gesamten Anteil am Gesamthandsvermögen auf S übertragen hat, jedoch nicht seinen Anteil am Sonderbetriebsvermögen. Das zurückbehaltene Sonderbetriebsvermögen gehört infolge der Auflösung der Mitunternehmerschaft nicht mehr zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft.
4.6.2 Einzelwirtschaftsgüterübertragung zwischen Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen
Rz. 73
§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG regelt die Buchwertfortführung für die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern innerhalb des Sonderbetriebsvermögens und des Gesamthandsvermögens derselben Mitunternehmerschaft. In diesen Fällen hat die Vorschrift jedoch nur deklaratorischen Charakter, denn Übertragungen innerhalb derselben Mitunternehmerschaft stellen auch ohne gesetzliche Regelung keine Entnahme dar. Es kommt zivilrechtlich zwar zu einem Rechtsträgerwechsel, nicht jedoch zu einer Entnahme, da das steuerliche Betriebsvermögen einer Personengesellschaft neben dem Gesamthandsvermögen auch das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer umfasst.
Rz. 74
Des Weiteren ist § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG anwendbar auf Übertragungen zwischen dem Sonderbetriebsvermögen bei der einen Mitunternehmerschaft und dem Gesamthandsvermögen bei einer anderen Mitunternehmerschaft, an der der Steuerpflichtige ebenfalls beteiligt ist. Diese Übertragungsvariante kann bspw. als Gestaltungsinstrument verwendet werden, um Sonderbetriebsvermögen, das im Falle einer geplanten Veräußerung oder unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteils zurückbehalten werden soll und damit einer Begünstigung des Übertragungsvorgangs nach § 6 Abs. 3 EStG oder §§ 16, 34 EStG entgegenstehen würde, rechtzeitig vor der geplanten Übertragung aus dem Mitunternehmeranteil herauszunehmen. Die unmittelbare Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandvermögen von Schwesterpersonengesellschaften stellt hingegen keinen Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG dar und ist somit nicht zu Buchwerten möglich. Zu der Frage, ob es sich in Bezug auf eine eventuelle ertragsteuerliche Nichtberücksichtigung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG im Bereich von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften um einen Verstoß gegen Art. 3 GG handelt, hat das BVerfG geurteilt. In seiner Entscheidung kommt das BVerfG zu dem Ergebnis, dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit danach die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist.
Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber, rückwirkend für Übertragungvorgänge ab 2001 eine Neuregelung zu treffen. Bis dahin gilt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG für Übertragungsvorgänge ab 2001 auch, für unentgeltliche Übertragungen zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Personengesellschaften.
Im Rahmen des Jahressteuergesetz 2024 ist der Gesetzgeber seiner Verpflichtung eine Neuregelung zu formulieren nachgekommen und hat eine neue Nr. 4 in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG eingefügt. Gem. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nun auch eine untentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften d...