Dipl.-Betriebsw. (FH) Manuela Spreitzer
6.1 Grundsätzliches
Rz. 211
Eine Realteilung einer Mitunternehmerschaft nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die bisherige Mitunternehmerschaft – aufgrund einer Betriebsaufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG – beendet wird und mindestens ein Mitunternehmer den ihm zugeteilten Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil als Betriebsvermögen fortführt. Soweit die Besteuerung der stillen Reserven gesichert ist, gilt für den übertragenen Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil der Grundsatz der Buchwertfortführung. Nach § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG sind auch bei der Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter die Buchwerte von dem übernehmenden Mitunternehmer wieder fortzuführen, wenn die Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen werden und die Besteuerung stiller Reserven sichergestellt ist. Damit akzeptiert der Gesetzgeber – vorbehaltlich der Einhaltung der Sperrfrist (Rz. 82 ff.) – die Verlagerung der stillen Reserven, soweit keine Kapitalgesellschaft (Rz. 107 ff.) beteiligt ist. Bilanztechnisch erfolgt dies durch eine steuerneutrale Kapitalkontenanpassung an die Buchwerte der von den Realteilern übernommenen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Realteilung hat Vorrang vor der Regelung des § 6 Abs. 5 EStG.
Rz. 212
Diese Grundsätze gelten für Außengesellschaften mit betrieblichem Gesamthandsvermögen (z. B. OHG, KG) und für Innengesellschaften (z. B. atypische stille Gesellschaft) mit gewerblichen Einkünften, aber auch für Personengesellschaften mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus selbstständiger Arbeit (§§ 14 Satz 2, 18 Abs. 3 Satz 2 EStG i. V. m. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG). Möglich ist auch die Übertragung von einem Gewerbebetrieb in einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft oder der selbstständigen Arbeit und umgekehrt. Es ist hierbei ohne Bedeutung, dass dadurch die stillen Reserven bei der Gewerbesteuer nicht mehr erfasst werden.
6.2 Sperrfrist
Rz. 213
Der gemeine Wert ist rückwirkend anzusetzen, soweit bei einer Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter zum Buchwert übertragen worden sind, wenn innerhalb einer Sperrfrist nach der Übertragung bestimmte Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen werden. Zur Nachversteuerung der stillen Reserven kommt es nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG bei der Veräußerung oder Entnahme von
- Grund und Boden,
- Gebäuden (ausgenommen Umlaufvermögen) oder
- anderen wesentlichen Betriebsgrundlagen.
Rz. 214
Diese Missbrauchsvorschrift soll verhindern, dass die Realteilung nicht der Umstrukturierung, sondern der Vorbereitung einer Veräußerung oder Entnahme dient, also z. B. Ausnutzung der Einkommensteuer-Progression oder Inanspruchnahme von § 16 und § 34 EStG bei Überführung der Realteilungsmasse in Nachfolgegesellschaften.
Rz. 215
Die Sperrfrist endet 3 Jahre nach Abgabe der "Steuererklärung der Mitunternehmerschaft" – gemeint ist damit die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung – für den Veranlagungszeitraum der Realteilung (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG).
Rz. 216
Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG greift die Sperrfrist nur dann, wenn Grund und Boden sowie Gebäude wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen. Dafür gilt die so genannte "funktionale quantitative" Betrachtungsweise. Danach gehören zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen:
- Wirtschaftsgüter, die nach Art des Betriebs und ihrer Funktion im Betrieb für diesen wesentlich sind (sog. "funktionale Betrachtung"), sodass es nicht darauf ankommt, ob sie stille Reserven enthalten, sowie
- Wirtschaftsgüter, die aus einer funktionalen Sichtweite für den Betrieb zwar nicht erforderlich sind, aber in denen erhebliche stille Reserven ruhen (sog. "quantitative Betrachtung").
Rz. 217
Die Nachversteuerung betrifft nur die innerhalb der Sperrfrist veräußerten oder entnommenen Wirtschaftsgüter. Bei den übrigen Wirtschaftsgütern bleibt es beim Buchwert. Erhält der Gesellschafter neben einem Teilbetrieb auch einzelne Wirtschaftsgüter, so gilt die Missbrauchsklausel nur für die einzelnen Wirtschaftsgüter, denn insoweit ist die Missbrauchsklausel objektbezogen zu betrachten.
Rz. 218
Werden nur einzelne Wirtschaftsgüter veräußert oder entnommen, führt der rückwirkende Ansatz des gemeinen Werts zu einem laufenden Gewinn, der auch der Gewerbesteuer unterliegt. Dieser Gewinn ist allen früheren Mitunternehmern nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen.