Leitsatz
Bei einer Sachlage wie der des Ausgangsverfahrens, bei der eine inländische Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft mit weniger als 10 % beteiligt ist, ist Art. 56 EG dahin auszulegen, dass er einer Regelung entgegensteht, wonach ein Verbot des Abzugs von Gewinnminderungen im Zusammenhang mit einer solchen Beteiligung für Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft früher in Kraft tritt als für Beteiligungen an einer inländischen Gesellschaft.
Normenkette
§ 8b Abs. 3, § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG 1999 i.d.F. des UntStFG, Art. 56 EG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, hielt in 2001, neben 2002 einem der beiden Streitjahre, in ihrem Anlagevermögen ausländische Aktien. Es handelte sich jeweils um Beteiligungen von weniger als 10 %, ggf. auch solche an Gesellschaften aus Drittstaaten. In ihrer Bilanz zum 31.12.2001 setzte die Klägerin die Aktien gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG mit dem niedrigeren Teilwert an.
Das FA erkannte den Ansatz des niedrigeren Teilwerts an, da es sich bei den gesunkenen Kurswerten der Aktien um eine dauerhafte Wertminderung handle. Es ging jedoch davon aus, dass das Abzugsverbot des § 8b Abs. 3 KStG 1999 (i.d.F. des UntStFG) bei Auslandsbeteiligungen bereits im VZ 2001 anwendbar sei. Infolgedessen hielt es die Gewinnminderung bei der steuerrechtlichen Einkommensermittlung für nicht berücksichtigungsfähig und nahm eine entsprechende außerbilanzielle Hinzurechnung vor.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.09.2005, 6 K 2727/04, Haufe-Index 1575900, EFG 2006, 1696).
Der BFH sah das in seinem Vorlagebeschluss des BFH vom 04.04.2007, I R 57/06 (BFH/NV 2007, 2028, BFH/PR 2007, 387) letztlich genauso. Er hatte indes gemeinschaftsrechtliche Bedenken, …
Entscheidung
…, welche nun vom EuGH bestätigt wurden: Die Ungleichbehandlung der Auslandsgesellschaften verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Folglich kann das Abzugsverbot auch bei diesen nicht greifen.
Hinweis
Mit diesem Urteil befindet der EuGH recht kurz und bündig über den Vorlagebeschluss des BFH vom 04.04.2007, I R 57/06 (BFH/NV 2007, 2028, BFH/PR 2007, 387):
1. Mit der Abschaffung des früheren KSt-rechtlichen Anrechnungsverfahrens wurde die Steuerfreistellung von Gewinnen aus der Veräußerung von Beteiligungen an anderen Körperschaften in § 8b Abs. 2 KStG konstituiert. Damit einher ging die Ausweitung des steuerlichen Abzugsverbots für jegliche die Substanz betreffenden Gewinnminderungen, die mit solchen Veräußerungsgewinnen in Zusammenhang stehen. Das bestimmt § 8b Abs. 3 KStG n.F. Das alles gilt für Inlands- ebenso wie für Auslandsbeteiligungen.
2. Die Anwendungs- undÜbergangsvorschrift des § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG n.F. führte allerdings (wohl, s. dazu unter 4.) dazu, dass Inlands- und Auslandsbeteiligungen im Übergangsjahr 2001 im Ergebnis denn doch abweichend voneinander behandelt werden. Denn das umfassende Abzugsverbot griff bei Auslandsbeteiligungen danach bereits im Jahr 2001, bei Inlandbeteiligungen hingegen erst im VZ 2002.
3. Diese unterschiedliche Behandlung widerspricht europarechtlichen Anforderungen, konkret – da es sich im Streitfall um sog. Streubesitz handelte – der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG. § 8b Abs. 3 KStG n.F. fand sonach im VZ 2001 auch für Auslandsgesellschaften keine Anwendung.
Das alles lag eigentlich auf der Hand und wurde zwischenzeitlich vom EuGH in der Rechtssache Grønfeldt für die parallele Regelungslage bei § 17 und § 52 Abs. 34a EStG 1997 n.F. bereits entsprechend entschieden (EuGH, Urteil vom 18.12.2007, C-436/06, BFH/NV Beilage 2008, 112). Es hätte deswegen ohne Weiteres durcherkannt werden können. Der BFH war dennoch "auf Nummer sicher" gegangen und hatte vorgelegt. Das zum einen, weil jenes EuGH-Urteil "Grønfeldt" seinerzeit noch nicht vorlag und zum anderen, um sich zu vergewissern, dass die gemeinschaftsrechtliche Strenge keine Gnade kennt: Sie greift auch bei nur kurzfristig relevantem Übergangsrecht, welches sich auf eine Norm bezieht, die – wie hier § 8b KStG – für den betroffenen Steuerpflichtigen an sich vorteilhaft ist.
4. Im weiteren Verfahren wird der BFH nun noch näher erläutern müssen, dass sich die besagte Ungleichbehandlung tatsächlich klar und deutlich aus § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 KStG n.F. herauslesen ließ. Das wird überwiegend angenommen, im Schrifttum aber z.T. auch abweichend beurteilt.
Auch der BFH ist in seinem Vorlagebeschluss der "herrschenden Meinung" gefolgt. Er hat eine vertiefte Auseinandersetzung dort (wohl) lediglich deswegen ausgespart, um die EuGH-Richterkollegen (und die EuGH-Übersetzer) nicht mit "technischen" Details des komplizierten Übergangsrechts vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren zur Verzweifelung zu treiben.
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 22.01.2009 – Rs. C-377/07 – STEKO Industriemontage GmbH –