Leitsatz
Lehnt die Familienkasse die rückwirkende Änderung einer Kindergeldfestsetzung mit dem Hinweis auf deren Bestandskraft ab, obwohl sie dem Ablehnungsbescheid einen mehrdeutigen Hinweis angefügt hat, so stellt dies ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar.
Sachverhalt
Der Kläger bezog für seinen Sohn, welcher am 1. 8. 2003 eine Lehre als Bankkaufmann begonnen hat Kindergeld bis zum Jahresende 2003. Nach überschlägiger Prüfung der für das Jahr 2004 zu erwartenden Ausbildungsvergütung hat die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung am 29. 6. 2004 ab Januar 2004 aufgehoben und im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung dieses Bescheides den "wichtigen Hinweis: Falls nach Ablauf des Jahres feststeht, dass die Einkünfte und Bezüge Ihres Kindes den Grenzbetrag nicht überschritten haben, können Sie einen erneuten Antrag auf Festsetzung des Kindergeldes stellen" angebracht. Mit Antrag vom 13. 8. 2005 hat der Kläger erneut die Festsetzung des Kindergeldes beantragt, da bei der Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge die maßgebliche Einkommensgrenze unterschritten werde. Dieser Antrag wurde von der Familienkasse mit dem Hinweis auf die Bestandskraft des Bescheides vom 29. 6. 2006 abgelehnt.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichtes steht der rückwirkenden Aufhebung des Bescheides vom 29. 6. 2004 dessen formelle Bestandskraft nicht entgegen. Im Streitfall habe die Familienkasse durch den ihrem Bescheid vom 29. 6. 2004 angefügten "wichtigen Hinweis" erklärt, dass der Kläger die Möglichkeit habe unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bei einer Änderung der Einkünfte und Bezüge des Kindes, einen erneuten Antrag auf Kindergeld zu stellen. Da die Bedeutung dieses Hinweises zwischen den Beteiligten streitig ist, ist sie durch Auslegung zu ermitteln. Danach ist der objektive Erklärungsinhalt des dem Bescheid vom 29. 6. 2004 angefügten "wichtigen Hinweises" nach Auffassung des Finanzgerichtes so zu verstehen, dass die Familienkasse bereit war, die für 2004 getroffene Aufhebung des Kindergeldes rückgängig zu machen, wenn sich ihre in dem Bescheid getroffenen prognostische Beurteilung als unrichtig erweisen sollte. Nicht nur der Kläger, sondern jeder sachverständige Empfänger konnte davon ausgehen, dass von dem "Hinweis" der Familienkasse auch die beim BVerfG anhängige Frage der Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen des Jahresgrenzbetrages erfasst sein sollte. Die Weigerung der Familienkasse, das Urteil des BVerfG bei der Neufestsetzung des Kindergeldes anzuwenden, stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar.
Hinweis
Das Urteil, gegen das Revision eingelegt wurde (Az. beim BFHIII R 39/06) entspricht im Ergebnis dem Urteil des FG Köln vom 7. 6. 2006 - 10 K 4546/05. In vergleichbaren Fällen sollte Einspruch eingelegt und unter Hinweis auf das o.a. Revisionsverfahren das Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 AO beantragt werden.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 06.04.2006, 3 K 3760/05