Dipl.-Finw. (FH) Wilhelm Krudewig
Bei Umsätzen, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden, wird aus dem bisherigen innergemeinschaftlichen Versandhandel der innergemeinschaftliche Fernverkauf. Es liegt ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vor, wenn ein Unternehmer einen
- Gegenstand
- aus einem EU-Land in ein anderes EU-Land
- befördert oder versendet und
- kein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern ist.
Der Ort der Lieferung befindet sich dann dort, wo die Beförderung oder Versendung endet.
Seit dem 1.7.2021 gilt für den Fernverkauf eine einheitliche Bagatellgrenze von 10.000 EUR, die bis dahin nur für "Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, Telekommunikationsdienstleistungen und andere elektronische Dienstleistungen" anzuwenden war (One-Stop-Shop (OSS)-Verfahren). Bei dem OSS-Verfahren hat der leistende Unternehmer die Möglichkeit, die Leistungen über ein nationales Portal beim BZSt anzumelden. Eine Registrierung im jeweiligen Bestimmungsland entfällt. Die Zahlung der Umsatzsteuer erfolgt dann an das BZSt, das die Zahlungen an die einzelnen EU-Länder abwickelt.
OSS-Verfahren auch für den innergemeinschaftlicher Fernverkauf anwendbar
Die Regelung des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs im sogenannten erweiterten "One-Stop-Shop-Verfahren" ist am 1.4.2021 in Kraft getreten und auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt wurden bzw. werden. Voraussetzung ist, dass sich der Unternehmer beim "One-Stop-Shop-Verfahren" anmeldet. Die Bagatellgrenze von 10.000 EUR gilt nicht getrennt für jedes EU-Land. Es kommt vielmehr auf die Summe aller Umsätze an, die unter diese Regelung fallen. Auf die Anwendung der Bagatellgrenze kann auch verzichtet werden.
9.1 Wann ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vorliegt
Bei einem Unternehmer, der eine Lieferung an eine Privatperson befördert oder versendet, die in einem anderen EU-Land lebt, führt seine Lieferung regelmäßig in dem Land aus, in dem der Leistungsempfänger wohnt bzw. seinen Sitz hat. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Bagatellgrenze von 10.000 EUR überschritten wird oder der Unternehmer auf die Anwendung dieser Bagatellgrenze verzichtet.
Befindet sich die Privatperson in einem anderen EU-Land, muss der leistende Unternehmer ohne OSS-Verfahren die Umsatzsteuer im jeweils anderen EU-Land anmelden und zahlen. Um dies zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, dass der inländische Unternehmer die Umsatzsteuer, die den anderen EU-Ländern zusteht, im Inland anmeldet und auch an die inländische Finanzbehörde zahlt. Die Umsatzsteuer bucht er auf das Konto "Umsatzsteuer aus im anderen EU-Land steuerpflichtige Lieferungen".
Der innergemeinschaftliche Versandhandel ist für Lieferungen, die nach dem 30.6.2021 ausgeführt werden, durch den innergemeinschaftlichen Fernverkauf ersetzt worden. Somit liegt ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vor, wenn ein Gegenstand
- durch den liefernden Unternehmer aus einem EU-Land in ein anderes EU-Land befördert oder versendet wird und
- der Empfänger ein Nichtunternehmer ist oder ein Unternehmer, der den Gegenstand nicht für sein Unternehmen erwirbt.
Die Lieferung darf also beim Empfänger nicht als innergemeinschaftlicher Erwerb der Besteuerung zu unterwerfen sein (§ 3c UStG). Das heißt, der Abnehmer ist in der Regel eine Privatperson in einem anderen EU-Land. Bei einem innergemeinschaftlichen Fernverkauf befindet sich der Ort der Lieferung da, wo die Beförderung oder Versendung endet. Das bedeutet, dass bei einem Unternehmer, der eine Lieferung an eine Privatperson befördert oder versendet, die in einem anderen EU-Land lebt, seine Lieferung regelmäßig in dem Land ausführt, in dem der Leistungsempfänger wohnt bzw. seinen Sitz hat. Das jedoch gilt nur dann, wenn
- die Bagatellgrenze von 10.000 EUR überschritten wird oder
- der Unternehmer auf die Anwendung dieser Bagatellgrenze verzichtet.
Befindet sich die Privatperson in einem anderen EU-Land, muss der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer im jeweils anderen EU-Land anmelden und zahlen. Um dies zu vermeiden, besteht die Möglichkeit, dass der inländische Unternehmer die Umsatzsteuer, die den anderen EU-Ländern zusteht, im Inland anmeldet und auch an die inländische Finanzbehörde zahlt.
Inländischer Unternehmer verkauft über Internet Fernsehgerät an Privatperson
Ein im Inland ansässiger Händler veräußert über die eigene Internetseite einen Fernseher an eine Privatperson in Frankreich für 1.190 EUR brutto. Die Ware wird aus seinem Lager im Inland an den Wohnsitz der Privatperson in Frankreich versendet. Der Händler überschreitet nicht die Umsatzschwelle von 10.000 EUR und er verzichtet auch nicht auf die Anwendung des § 3c Abs 4 UStG. Die Lieferung des Händlers an die Privatperson ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG im Inland steuerbar und steuerpflichtig. § 3 c Abs. 1 UStG ist nach § 3 c Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anzuwenden, weil der Händler nur in einem EU-Mitgliedsstaat ansässig ist und die Umsatzschwelle nicht überschreitet.