Unternehmer müssen Ihre Umsätze nach dem Sollprinzip der Umsatzsteuer unterwerfen, wenn sie die Voraussetzungen für die Istbesteuerung nicht erfüllen. Bei Unternehmen in der Baubranche gilt regelmäßig die Sollbesteuerung. D. h., Unternehmer zahlen die Umsatzsteuer in dem Voranmeldungszeitraum, in dem sie ihre Leistung erbracht haben. Soweit der Unternehmer von seinen Kunden noch keine Zahlungen erhalten hat, treten diese gegenüber dem Finanzamt hinsichtlich der Umsatzsteuer in Vorleistung. Die Vorfinanzierung entfällt erst dann, wenn der Unternehmer seinen Entgeltsanspruch nicht durchsetzen kann.
3.1 Uneinbringlichkeit als Umsatzsteuerkorrekturgrund
Soweit sich die Sollbesteuerung im Einzelfall als unverhältnismäßig erweisen sollte, ist dem durch die Auslegung des Berichtigungstatbestandes der Uneinbringlichkeit gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG Rechnung zu tragen. Laut BFH ist ein Entgelt uneinbringlich, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Der BFH geht somit von einer Uneinbringlichkeit aus, wenn von vornherein klar ist, dass dem Unternehmer das Entgelt bzw. ein Teil des Entgelts erst nach längerer Zeit zufließt. Das gilt insbesondere in der Baubranche, wenn Zahlungen bis zum Ende von Gewährleistungsfristen erst nach 2 bis 5 Jahren eingehen.
3.2 Umsatzsteuerzahlung für Sicherungseinbehalt erst bei Geldeingang
Die Umsatzsteuer ist eine indirekte Steuer, die den Unternehmer nicht belasten soll. Aus diesem Grund ist eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrere Jahre nicht gerechtfertigt. Eine Vorfinanzierung über mehrere Jahre verstößt – wenn man das Verhältnis zwischen Soll- und Istbesteuerung betrachtet – gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der BFH hat seinen diesbezüglichen Zweifeln durch einen Vorlagebeschluss an den EuGH Ausdruck verliehen. Der BFH zweifelt an der bislang uneingeschränkt angenommenen Pflicht zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den zur Sollbesteuerung verpflichteten Unternehmer. Er hat daher in 2 Revisionsverfahren durch Beschlüsse vom 21.6. und 3.8.2017 Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet Die vorgelegten Fragen sind für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Sie beziehen sich in erster Linie auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch bei befristeten Zahlungsansprüchen, wie etwa beim Ratenkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings, von Bedeutung sein. Auch hier besteht für die der Sollbesteuerung unterliegenden Unternehmer die Pflicht, die Umsatzsteuer für die Warenlieferung bereits mit der Übergabe der Ware vollständig abzuführen. Dies gilt nach bisheriger Praxis auch dann, wenn einzelne Ratenzahlungen erst über eine Laufzeit von mehreren Jahren vereinnahmt werden.
Der Unternehmer ist gemäß § 17 UStG berechtigt, eine Steuerberichtigung bereits für den Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem er die Leistung erbracht hat. Er zahlt die Umsatzsteuer, die auf den Sicherungseinbehalt entfällt erst dann, wenn der Kunde zahlt.
So hat der BFH mit Urteil vom 24.10.2013 klargestellt: "Soweit ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von 2 bis 5 Jahren nicht verwirklichen kann, ist er bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt."
Voranmeldungszeitraum der Berichtigung
Unternehmer sollten die Umsatzsteuer sofort berichtigen, wenn von vornherein klar ist, dass sie einen Teil ihrer Forderungen erst nach mehreren Jahren erhalten. Unternehmer dürfen daher laut BFH eine Steuerberichtigung bereits im selben Voranmeldungszeitraum vornehmen, in dem sie ihre Leistungen erbracht und abgerechnet haben.
Wichtig! Ist in vergleichbaren Situationen die Umsatzsteuer bisher nicht berichtigt worden, kann der Unternehmer dies nachholen. Allerdings ist die Berichtigung im Jahr der Leistungserbringung durchzuführen (ggf. durch die Abgabe einer berichtigten Umsatzsteuererklärung). Da Umsatzsteuerbescheide im Regelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, dürfte es kein Problem sein, eine Berichtigung durchzusetzen.
Die folgenden "Konsequenzen" sollten bestehen bleiben:
Sicherungseinbehalt über mehrere Jahre
Bauunternehmer Huber rechnet im März gegenüber seinem Kunden, der Braun-GmbH, eine Bauleistung über 100.000 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer = 19.000 EUR ab. Es ist von vornherein klar, dass der Kunde einen Sicherungseinbehalt i. H. v. 10 % = 10.000 EUR zzgl. 1.900 EUR Umsatzsteuer einbehalten wird und den Betrag von 11.900 EUR erst nach Ablauf von 3 Jahren zahlen wird. Bauunternehmer Huber teilt deshalb den Gesamtbetrag auf und bucht wie folgt.
Konto SKR 03/04 Soll |
Kontenbezeichnung |
Betrag |
Konto SKR 03/04 Haben |
Kontenbezeichnung |
Betrag |
15322/15322 |
Braun-GmbH |
107.100 |
8400/4400 |
Erlöse 19 % USt |
90.000 |
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1776/3806 |
Umsatzsteuer 19 % |
17.100 |