OFD Koblenz, Verfügung v. 13.11.1997, S 7167 A - St 513
Selbständige freie Vermittlungsgesellschaften, die nach ihren Gesellschaftsverträgen u.a. die Vermittlung von Versicherungs- und Bausparverträgen zum Gegenstand haben, stehen in vertraglichen Beziehungen zu Versicherungs- bzw. Bauspargesellschaften. Sie treten zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit ihrem Angebot verschiedener Verträge an Interessentenkreise durch selbständige Mitarbeiter heran. So entsteht eine Vertriebsstruktur, die sich nach unten pyramidenförmig untergliedert (Strukturvertrieb).
Die Mitarbeiter stehen zum einen in vertraglichen Beziehungen mit der Vermittlungsgesellschaft, zum anderen in einem Vertragsverhältnis mit der Versicherungs- bzw. Bauspargesellschaft.
Die Vermittlungsgesellschaft als sog. „Zwischenstufe” erhält von den Abschlußprovisionen einen Anteil („Superprovision”) für die Versicherungsverträge, die sie nicht selbst, sondern ihre Mitarbeiter vermitteln. Im Gegenzug bildet sie die Mitarbeiter in Fragen des Versicherungsrechts und -marketings aus, betreut, überwacht und motiviert sie und sorgt für ihre Weiterbildung.
Schaubild
(hier nicht enthalten)
Der Strukturvertrieb kann auch derart gestaltet sein, daß sich die einzelnen selbständigen Mitarbeiter zur Erfüllung ihrer Aufgaben wiederum selbständiger Mitarbeiter bedienen, die sie im Gegenzug aus- und weiterbilden, betreuen, überwachen und motivieren, so daß sich der Strukturvertrieb um eine weitere Zwischenstute erweitert.
Umsatzsteuerrechtlich ist vorerst wie folgt zu verfahren:
Die im Rahmen des Strukturvertriebs erbrachten Leistungen gegen Erhalt von Superprovisionen sind nicht gem. § 4 Nr. 11 UStG steuerbefreit.
Die in der Befreiungsvorschrift genannten Begriffe „Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler” bestimmen sich nach den handelsrechtlichen Definitionen Abschn. 75 Abs. 1 Satz 3 UStR). Versicherungsvertreter ist nach § 92 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB), wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen, gem. § 92 Abs. 5 HGB gilt dies sinngemäß auch für Bausparkassenvertreter.
Die Begünstigung des § 4 Nr. 11 UStG ist allerdings auf diejenigen Tätigkeiten beschränkt, die mit dem der Norm zugrundeliegenden Berufsbild in Einklang stehen. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UStG begünstigt nicht bestimmte Berufsgruppen in jeder der von ihnen ausgeführten Tätigkeiten, sondern nur die Umsätze des Berufsangehörigen, die für seinen Beruf typisch sind. Berufstypisch für einen Versicherungs- bzw. Bausparkassenvertreter ist, Verträge zu vermitteln bzw. abzuschließen.
Die Strukturvertriebsform entspricht nicht dem gesetzlichen Berufsbild, sondern ist vielmehr eine neue Erscheinungsform im Versicherungs- bzw. Bausparkassenwesen. Bei der dem Gesetz zugrundeliegenden Vertriebsform steht im Regelfall der Vertreter unmittelbar über eine Agentur mit einer Versicherungsgesellschaft in vertraglicher Verbindung, ohne daß eine flächendeckende Struktur eingeschaltet würde.
Die Vertriebsgesellschaft ist nicht ständig damit betraut, Verträge zu vermitteln oder abzuschließen. Als Vermittlungsumsätze sind nur diejenigen Leistungen anzusehen, bei denen der Leistungserbringer im konkreten Einzelfall mit dem Ziel des Vertragsabschlusses auf einen bestimmten potentiellen Vertragspartner einwirkt. Nicht jede Förderung des Vertragsabschlusses kann als Vermittlung angesehen werden.
Die Leistungen der Zwischenstufe sind nur allgemeiner Art, ohne auf die Vermittlung bzw. Abschluß des konkreten Einzelgeschäftes ausgerichtet zu sein. Die Haupttätigkeit der Zwischenstufe im Strukturvertrieb besteht in der Aus- und Fortbildung sowie in der Kontrolle ihrer (nachgeordneten) Mitarbeiter. Die Leistungen der Zwischenstufe gegen Erhalt der Superprovisionen sind mithin nicht berufstypisch.
Darüber hinaus kommt die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UStG nur dann zur Anwendung, wenn die Vermittlungstätigkeit als Hauptleistung erbracht wird. Die eigentliche Vermittlung wird jedoch nicht von dem zwischengeschalteten Organ erbracht, sondern von den Vertretern am Ende der Kette des Strukturvertriebs. Die Tätigkeit der Zwischenstufe ist keine konkrete Vertragsvermittlung, sondern eine umfassende Betreuungsleistung. Die von der Zwischenstufe erbrachte Hauptleistung ist mithin keine Vermittlungsleistung.
Die eigentlichen Vermittler können auch nicht als „Untervertreter” der Zwischenstufe angesehen werden, mit der Maßgabe, daß die Umsätze der Vermittler dieser zuzurechnen wären. Sämtlichen Annahmen solcher Art steht die Tatsache entgegen, daß die Vertreter am Ende der Kette im Strukturvertrieb im allseitigen Einverständnis die eigentliche Vermittlungstätigkeit unmittelbar gegenüber dem Versicherungs- bzw. Bausparunternehmen ausführen.
Die Leistungen der Zwischenstufe des Strukturvertriebs, für die sie als Gegenleistung Superprovisionen erhält, sind mithin als sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Zu der oben dargestellten The...