Kommentar
Bei dem Verfahren ging es um die Auslegung des Begriffs der wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie. Streitig war insbesondere, ob die Vergabe von Darlehen einer Holdinggesellschaft im Bergbausektor an ihre Tochtergesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der 6. EG-Richtlinie ist. Zudem war fraglich, ob die Darlehensumsätze der Holdinggesellschaft Hilfsumsätze im Sinne des Artikels 19 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie sein können, wenn mit den Finanzgeschäften weit höhere Erträge erwirtschaftet werden können, als mit dem in der Satzung angegebenen Hauptgeschäftszweck. Die Klärung dieser Fragen war erforderlich, weil Portugal von der pro-rata-Regelung gemäß Artikel 19 der 6. EG-Richtlinie Gebrauch macht und der pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs streitig war.
Der EuGH hat im Prinzip seine frühere Rechtsprechung bestätigt. Danach fallen Zinsen, die ein Unternehmen aus der Vergabe von Darlehen erzielt, die eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung seiner eigentlichen steuerbaren Tätigkeit darstellt, in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer (Artikel 2 der 6. EG-Richtlinie). Zinserträge aus Darlehen beruhen im Gegensatz zu Erträgen aus dem bloßen Verkauf von Aktien und sonstigen Wertpapieren (der nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt) nicht auf dem bloßen Eigentum an einem Wirtschaftsgut, sondern stellen Entgelt für die Überlassung von Kapital an einen Dritten dar.
Zum Begriff der Hilfsumsätze hat der EuGH seine bisherige Rechtsprechung ausgedehnt. Nach seinem Urteil vom 11.6.1996, C-306/94 (Régie dauphinoise) sind Darlehensgeschäfte keine Hilfsumsätze im Sinne von Artikel 19 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie, wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit eines Unternehmens darstellen. Entgegen den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 15.2.1996 in der Sache C-306/94 stellt der EuGH jetzt fest, dass die Tatsache, dass die Einkünfte aus den Finanzgeschäften höher sind, als die Einkünfte aus der eigentlichen unternehmerischen Tätigkeit, alleine nicht ausreicht, die Einordnung der Finanzgeschäfte als Hilfsumsätze auszuschließen. Im vorliegenden Fall überlässt der EuGH es auf dieser Basis dem nationalen Gericht, die Frage des Hilfsumsatzes zu entscheiden.
Kläger: Empresa de Desenvolvimento Mineiro SGPS SA (EDM)
Link zur Entscheidung
EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-77/01