Leitsatz
1. Leistungen eines Rechenzentrums (Rechenzentrale) an Banken können nur dann als "Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr sowie im Zahlungs- und Überweisungsverkehr" nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei sein, wenn diese Leistungen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der in dieser Vorschrift genannten Umsätze erfüllt.
2. Das Betreiben eines automatisierten Überweisungssystems, das die Prüfung und Freigabe einzelner Überweisungsaufträge ermöglicht und die Kundenweisung dadurch umsetzt, dass der Überweisungsbetrag vom Konto des Bankkunden abgebucht und der Bank des Begünstigten gutgeschrieben wird, kann als Leistung im Überweisungsverkehr steuerfrei sein. Dass das Rechenzentrum hierbei aufgrund der inhaltlichen Vorgaben der Bank für die Ausführung der Kundenweisung keine dispositiven Entscheidungen zu treffen hat, ist unerheblich.
3. Aus dem Leistungsverzeichnis eines Rahmenvertrags mit 2 623 Einzelpositionen, für die eine jeweils eigenständige Vergütungsregelung besteht, können nicht 145 Einzeltätigkeiten zu nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfreien Leistungen zusammengefasst werden.
Normenkette
§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG 1999, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL (jetzt: Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL)
Sachverhalt
Ein "Rechenzentrum" erbrachte aufgrund eines Rahmenvertrags Datenverarbeitungsleistungen an Banken. Es verarbeitete Datensätze, nahm Prüfungen vor (betr. Kontostand, Kreditlinie, Kontonummer, Name des Begünstigten, Bankleitzahl der Empfängerbank, Bestehen besonderer Überweisungssperren). Stand der Überweisung kein Hinderungsgrund entgegen, veranlasste das Rechenzentrum die Abbuchung vom Konto des Überweisenden und die Weiterleitung an die Bank des Begünstigten.
Der Katalog der von der Rechenzentrale aufgrund des Vertrags erbrachten Leistungen umfasste 2 623 Einzelpositionen, aus denen – nach Auffassung der Klägerin – ca. 145 nach § 4 Nr. 8 Buchst.d UStG umsatzsteuerfreien Leistungsbereichen zugeordnet werden konnten. Für jede dieser Einzelpositionen bestand eine eigenständige Vergütungsvereinbarung. Verantwortlich war sie nach dem Vertrag nur für die Einhaltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Datenverarbeitung. Für die Entgelte für die 145 Einzelpositionen beanspruchte die Klägerin erfolglos die Steuerbefreiung.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Steuerbefreiung stehe zwar – entgegen der Auffassung des FG (FG München, Urteil vom 09.03.2005, 3 K 5039/02, Haufe-Index 1394910, EFG 2005, 1397) – nicht schon das Fehlen dispositiver Entscheidungen des "Rechenzentrums" entgegen. Im Streitfall scheiterte die Steuerbefreiung daran, dass das Rechenzentrum gegenüber den Banken auch steuerpflichtige Leistungen allgemeiner Art erbracht hatte und der steuerfreie Leistungsbereich nicht hinreichend klar von den unstrittig steuerpflichtigen Leistungen abgegrenzt werden konnte. Offen blieb, ob ein eigenständiges Ganzes auch eine eigenständige Vergütungsregelung voraussetzt und welche Anforderungen an diese ggf. zu stellen sind sowie die Bedeutung der "Verantwortung" für die Steuerfreiheit der "outgesourcten" Leistung.
Hinweis
Zur Steuerbefreiung "outgesourcter" Bankdienstleistungen hat der BFH erneut die Bedeutung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 05.06.1997, Rs. C-2/95, SDC (UR 1998, 64) betont:
1. Leistungen eines Rechenzentrums an Banken können nur steuerfrei sein, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der steuerfreien Finanzdienstleistung erfüllt. Dabei kommt es auch auf den "eigenständigen Charakter" der Leistung an. Deshalb ist nicht ausreichend, dass es sich lediglich um ein Element einer Finanzdienstleistung handelt, mag dieses Element für die Bewirkung der steuerfreien Leistung auch unerlässlich sein. Die gegenteilige Rechtsansicht des SDC hatte der EuGH ausdrücklich zurückgewiesen. Maßgeblich ist auch, ob die zur Bewirkung des befreiten Umsatzes erforderlichen Handlungen "bestimmbar" sind.
2. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die spezifischen und wesentlichen Funktionen des Umsatzes im Überweisungsverkehr darin bestehen, eine Übertragung von Geldern zu bewirken und zu rechtlichen und finanziellen Änderungen zu führen. Zwar kann danach das Betreiben eines automatisierten Überweisungssystems, das die Prüfung und Freigabe einzelner Überweisungsaufträge ermöglicht und die Kundenweisung dadurch umsetzt, dass der Überweisungsbetrag vom Konto des Bankkunden abgebucht und der Bank des Begünstigten gutgeschrieben wird, als Leistung im Überweisungsverkehr steuerfrei sein. Technische Leistungen sind nicht als spezifisch und wesentlich anzusehen. Um eine steuerpflichtige materielle oder technische Leistung handelt es sich deshalb z.B. nicht bei der Übertragung von Angaben auf den von Banken übermittelten körperlichen Belegen für die EDV-mäßige Bearbeitung (bereits BFH, Urteil vom 13.07.2006, V R 57/04, BFH/PR 2007, 57).