OFD Niedersachsen, Verfügung v. 18.3.2015, S 7179 - 103 - St 181
Bezug: Rundverfügung vom 11.2.2013, Az. w.o.
Allgemeines
Träger von allgemeinbildenden und berufsbildenden Einrichtungen benötigen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, aus der sich ergibt, dass und für welchen Zeitraum die Bildungseinrichtung auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. Die Bescheinigung bindet die Finanzbehörden insoweit als Grundlagenbescheid nach § 171 Abs. 10 in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Sie unterliegt nicht der Nachprüfung durch die Finanzbehörden oder die Finanzgerichte; das schließt nicht aus, dass die Finanzbehörden bei der zuständigen Landesbehörde eine Überprüfung der Bescheinigung anregen (Abschnitt 4.21.5 Absatz 2 Satz 4 UStAE).
Im Bescheinigungsverfahren wird jedoch nicht über alle Voraussetzungen der Steuerfreiheit entschieden. Die Finanzbehörden entscheiden in eigener Zuständigkeit, ob die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen, insbesondere, ob eine allgemeinbildende bzw. berufsbildende Einrichtung vorliegt (Abschnitt 4.21.5 Absatz 2 Sätze 5 und 6 UStAE). Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 4 Nr. 21 UStG bzw. im Fall der unmittelbaren Berufung auf Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL ist zudem zu prüfen, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht werden (Schul- und Hochschulunterricht) und die Leistungen nicht der bloßen Freizeitgestaltung dienen (BMF-Schreiben vom 2.4.2012, BStBl 2012 I S. 484, Abschnitt 4.21.2 Abs. 8 Satz 2, Abschnitt 4.21.4 Abs. 1a UStAE). Schul- und Hochschulunterricht in diesem Sinne beschränkt sich nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben (BFH-Urteil vom 28.5.2013, XI R 35/11, BStBl 2013 II S. 879). Für die Frage, ob Schul- oder Hochschulunterricht vorliegt, ist auf die Art der erbrachten Leistung und auf ihre generelle Eignung als solcher abzustellen (Abschnitt 4.21.4 Abs. 1 Satz 7 UStAE).
Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde ist Indiz dafür, dass die Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen. Solche gegenteiligen Anhaltspunkte, die zur Annahme reiner Freizeitgestaltungen führen, können sich zum Beispiel aus dem Teilnehmerkreis oder aus der thematischen Zielsetzung der Unterrichtsleistung ergeben. Unterrichtsleistungen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, sind von der Steuerbefreiung ausgeschlossen (Abschnitt 4.21.4 Abs. 1a Sätze 2 – 4 UStAE).
Umsätze von Tanzschulen aus Kursen „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen”
Auch Ballett- und Tanzschulen können als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen beurteilt werden. Nach den o.a. Grundsätzen muss für die einzelnen Leistungen (Kurse) beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 21 UStG im Übrigen vorliegen (Abschnitt 4.21.2 Abs. 8 Sätze 1 und 2 UStAE). Zu den nicht befreiten Kursen, die von ihrer Zielsetzung auf reine Freizeitgestaltung gerichtet sind, gehören zum Beispiel Kurse für allgemein am Tanz interessierte Menschen (Abschnitt 4.21.2 Abs. 8 Satz 5 UStAE).
Von Betreibern von Tanzschulen ist geltend gemacht worden, dass ihre Umsätze aus Tanzkursen „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen” steuerfrei seien, weil diese auf den Beruf des Tanzlehrers hinführen würden. Das zuständige Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) hat für die Kurse „Welttanzprogramm” und „Medaillentanzen” auf Antrag der Tanzschulen Bescheinigungen darüber erteilt, dass diese Kurse auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten. Diese Feststellung ist – wie oben ausgeführt – für die Finanzbehörden bindend (Abschnitt 4.21.5 Absatz 2 Satz 4 UStAE). Die Umsätze aus den genannten und vergleichbaren Kursen können daher grundsätzlich unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG fallen.
Trotz der oben dargestellten Indizwirkung einer Bescheinigung des MWK werden die Kurse aber nur im Ausnahmefall steuerfrei sein, weil – wie nachfolgend ausgeführt – regelmäßig gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kurse den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben. Das gilt auch, wenn diese Kurse Jugendlichen erteilt werden.
Bei dem Tanzunterricht im Rahmen des „Welttanzprogramms” geht es um das Erlernen von Tänzen und Tanzformen, die zu den weltweit g...