Leitsatz

Die für die Umsatzsteuerfreiheit von Betreuungsleistungen erforderliche Kostentragung durch die Pflegekasse kann sich beim Betrieb eines Hausnotrufsystems aus der Zuerkennung einer Pflegestufe ergeben.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 16 Buchst. k UStG i.d.F. 2009, 2010, § 15, §§ 36ff. SGB XI, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GbR, betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 eine Seniorenresidenz mit 153 seniorengerechten Wohnungen. Diese Wohnungen vermietete die Klägerin an die Bewohner. Die Klägerin bot den Bewohnern umfangreiche Verpflegungsmöglichkeiten an, die Frühstück, Mittag- und Abendessen umfassten. Ein gesonderter Pflegedienst erbrachte pflegerische Leistungen. Die Klägerin war gegenüber den Bewohnern nicht zur Erbringung von Pflegeleistungen verpflichtet. Der Pflegedienst erbrachte diese Leistungen in eigener Verantwortung gegenüber den Bewohnern. Daneben erbrachte die Klägerin an die Bewohner eine Vielzahl von Serviceleistungen. Für den Bewohner betrugen die Kosten für ein Hausnotrufsystem monatlich 17,90 EUR. Zusätzlich war eine Betreuungspauschale von monatlich 75 EUR zu zahlen. Die Leistungen des Hausnotrufsystems und die Betreuungspauschale rechnete die Klägerin unmittelbar gegenüber den Bewohnern ab. Beide Leistungen behandelte die Klägerin als umsatzsteuerfrei. Demgegenüber war das FA der Auffassung, dass die Leistungen der Klägerin in den Bereichen Hausnotruf und Betreuung steuerpflichtig seien. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2.6.2016, 7 K 7107/13, Haufe-Index 9876739, EFG 2016, 2093).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück, da es § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG a.F. unzutreffend angewandt habe. Stehe fest, dass die Empfänger der durch den Unternehmer erbrachten Leistungen aufgrund der Zuerkennung einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI beim Betrieb eines Hausnotrufsystems zum Leistungsbezug nach §§ 36ff. SGB XI berechtigt sind, könne für diese Leistungsempfänger eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger i.S.v. § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG unterstellt werden. Daher sei im zweiten Rechtsgang zu klären, ob entsprechend dem Vortrag der Klägerin die Leistungen des Hausnotrufs im Streitjahr 2009 zu 61 % und im Streitjahr 2010 zu 46 % an Personen mit Pflegestufe 1 bis 3 erbracht worden seien.

 

Hinweis

1. Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 16 UStG die Leistungen, die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbunden sind. Nach Buchst. k a.F. muss es sich zudem um Einrichtungen handeln, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder diesen gleichgestellten Einrichtungen ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind. Nach § 4 Nr. 16 Buchst. l UStG in seiner heutigen Fassung kommt es auf eine Kostentragung von 25 % an. Unionsrechtliche Grundlage hierfür ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL.

2. Ob Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle i.S.v. § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG a.F. von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden, entscheidet sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift dem leistenden Unternehmer die Anwendung der Steuerfreiheit ermöglichen will und daher unter praktikablen Bedingungen anwendbar sein muss. Dies gilt umso mehr, als die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit gerade in den Fällen ermöglicht werden soll, in denen es an unmittelbaren Vertragsbeziehungen zu z.B. Sozialversicherungsträgern, wie nach § 4 Nr. 16 Buchst. b ff. UStG vorausgesetzt, fehlt.

§ 4 Nr. 16 Buchst. k UStG a.F. ist insbesondere dann anzuwenden, wenn der Unternehmer die Erstattung der Kosten, die seinen Leistungsempfängern aufgrund seiner Leistung entstanden sind, durch Sozialversicherungsträger konkret nachweisen kann.

Die in § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG a.F. vorgesehene Vergütungsbedingung kann aber auch in anderer Weise nachgewiesen werden. Steht z.B. fest, dass die Empfänger der durch den Unternehmer erbrachten Leistungen aufgrund der Zuerkennung einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI zum Leistungsbezug nach §§ 36ff. SGB XI berechtigt sind, kann für diese Leistungsempfänger eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden, zumal für § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG a.F. keine ausschließliche Vergütung durch den Sozialversicherungsträger erforderlich ist.

3. Hausnotrufsysteme können von den Sozialversicherungsträgern vergütet werden. Denn nach § 40 Abs. 1 SGB XI haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln. Dies bezieht sich auch auf technische Hilfsmittel, zu denen auch Hausnotrufanlagen gehören. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Hausnotrufsystem für den...

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