Steuerermäßigung nach § 35a EStG

Für ein Hausnotrufsystem, das lediglich den Kontakt zu einer 24-Stunden-Servicezentrale herstellt, die soweit erforderlich Dritte verständigt, kann die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden (Abgrenzung vom BFH-Urteil v. 3.9.2015, VI R 18/14, BStBl II 2016, S. 272).

Hintergrund: Hausnotrufsystem ohne Sofort-Hilfe

Die in 1933 geborene A nahm in 2018 die Leistungen eines  Hausnotrufsystems in Anspruch und zahlte hierfür 288 EUR. Sie buchte das Paket "Standard" mit Gerätebereitstellung und 24-Stunden-Servicezentrale. Nicht gebucht hatte sie u.a. den Sofort-Helfer-Einsatz an ihrer Wohnadresse sowie die Pflege- und Grundversorgung.

Das FA berücksichtigte die Aufwendungen nicht als haushaltsnahe Dienstleistung i.S.v. § 35a Abs. 2 EStG.

Das FG vertrat eine großzügigere Auffassung und gab der Klage statt, da der Leistungserfolg in der Wohnung erbracht werde. Hiergegen wandte sich das FA mit der Revision.

Entscheidung: Ein Hausnotrufsystem ohne Hilfeleistungen ist nicht begünstigt

Der BFH widerspricht dem FG. Er hob das FG-Urteil auf und wies die Klage ab. Die Aufwendungen für das Hausnotrufsystem können nicht nach § 35a EStG berücksichtigt werden.

Der Begriff "haushalsnahe Dienstleistung"

Nach § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG muss die Dienstleistung "in einem Haushalt des Steuerpflichtigen" erbracht werden. Die Leistungen müssen daher eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweisen bzw. damit im Zusammenhang stehen. Dazu gehören hauswirtschaftliche Verrichtungen, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen (BFH v. 13.5.2020, VI R 4/18, BStBl II 2021, S. 669, Rz. 17).

Räumlich-funktionaler Haushaltsbegriff

Nach dem Wortlaut des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG sind Leistungen, die außerhalb des Haushalts erbracht werden, nicht begünstigt, auch wenn sie für den Haushalt erbracht werden. Insoweit kommt es auf die tatsächliche Erbringung der Leistung an (BFH v. 13.5.2020, VI R 4/18, BStBl II 2021, S. 669, Rz. 26). Dabei kann nach dem räumlich-funktionalen Haushaltsbegriff (hierzu BFH v. 21.2.2018, VI R 18/16, BStBl II 2018, S. 641, Rz. 14 f., für Handwerkerleistungen) auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze geleistet werden, als haushaltsnahe Dienstleistung begünstigt sein, wenn die Tätigkeiten in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (BFH v. 13.05.2020 - VI R 4/18, BStBl II 2021, S. 669, Rz. 18). Ob der Leistungserfolg im Haushalt erzielt wird, ist daher grundsätzlich unerheblich.

Die wesentliche Dienstleistung ist die Rufbereitschaft

Bei einem Hausnotrufsystem liegt zwar eine haushaltsnahe Dienstleistung vor, da eine solche Rufbereitschaft typischerweise von in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebenden Haushaltsangehörige geleistet wird (BFH v. 3.9.2015, VI R 18/14, BStBl II 2016, S. 272, Rz. 16). Die Dienstleistung wird jedoch nicht im Haushalt der A erbracht. Denn die Zahlungen der A betreffen neben der Technik für die Auslösung eines Kontakts zu der Einsatzzentrale im Wesentlichen das Bereithalten des Personals für die Entgegennahme eines eventuellen Notrufs (die Rufbereitschaft) und - je nach Situation - anschließender Kontaktierung von Angehörigen, des Hausarztes oder des Rettungsdienstes. Die wesentliche Dienstleistung ist daher die Bearbeitung von eingehenden Alarmen und die Verständigung von Bezugspersonen per Telefon und nicht das Rufen des Notdienstes durch die A selbst.

Keine Dienstleistung im Haushalt der A

Diese maßgebende Dienstleistung wird nicht in der Wohnung des Steuerpflichtigen und damit nicht im Haushalt der A erbracht (ebenso BMF v. 9.11.2016, BStBl I 2016, S. 1213, Rz.11). Bei einem reinen Hausnotrufsystem im privaten Haushalt (wie im Streitfall) wird keine unmittelbare Direkthilfe in Form eines Sofort-Helfer-Einsatzes in der Wohnung des Steuerpflichtigen geschuldet, sondern eine eigenständige Leistung Dritter lediglich vermittelt.

Hinweis: Unterschied zum Hausnotruf innerhalb des "Betreuten Wohnens"

Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt vom Fall des BFH-Urteils v. 3.9.2015, VI R 18/14, BStBl II 2016, S. 272. Dort hatten die im Bereich des Betreuten Wohnens beschäftigten Pfleger jeweils einen sog. Piepser bei sich, der den Notruf sofort an sie weiterleitete. Geschuldet war dort entsprechend nicht nur die Entgegennahme der Notrufe, sondern auch die Notfall-Soforthilfe im Haushalt durch das auf diese Weise verständigte Pflegepersonal.

Hinzuweisen ist ergänzend auf § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG. Danach scheidet eine Berücksichtigung als haushaltsnahe Dienstleistung jedenfalls aus, soweit die Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung (Krankheits- oder Pflegekosten) berücksichtigt werden.

BFH Urteil vom 15.02.2023 - VI R 7/21 (veröffentlicht am 04.05.2023)

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