In zahlreichen von Deutschland abgeschlossenen DBA werden sog. Switch-over-Klauseln zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen, Doppelfreistellungen oder einer niedrigen Besteuerung, die ihre Ursache in Qualifikationskonflikten haben, vereinbart. Danach kann Deutschland als Ansässigkeitsstaat unter bestimmten Voraussetzungen an Stelle der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anwenden. Voraussetzung in Fällen einer Doppelbesteuerung ist jedoch, dass eine Einigung in einem Verständigungsverfahren nicht erzielt werden konnte.
Art. 28 Abs. 1 DBA-Österreich
Zitat
Der Ansässigkeitsstaat vermeidet die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung nach Artikel 23 (Anm.: Vermeidung der Doppelbesteuerung) und nicht durch Steuerbefreiung nach dem genannten Artikel,
- a) wenn in den Vertragsstaaten Einkünfte oder Vermögen unterschiedlichen Abkommensbestimmungen zugeordnet oder verschiedenen Personen zugerechnet werden (außer nach Artikel 9) und dieser Konflikt sich nicht durch ein Verfahren nach Artikel 25 (Verständigungsverfahren) regeln lässt und wenn auf Grund dieser unterschiedlichen Zuordnung oder Zurechnung die betreffen-den Einkünfte oder Vermögenswerte unbesteuert blieben oder zu niedrig besteuert würden...
Durch § 2 Abs. 3 Nr. 1 AO ist daher das BMF mit Zustimmung des Bundesrats zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt, die die Einkünfte oder Vermögen oder Teile davon bestimmt, für die in Anwendung des DBA Deutschland als Ansässigkeitsstaat von der Freistellung zur Steueranrechnung übergegangen wird. Diese Bestimmung soll insbesondere ermöglichen, kurzfristig und zielgenau eine ungerechtfertigte Steuerbegünstigung zu beseitigen, die durch eine Nichtbesteuerung oder eine niedrige Besteuerung bestimmter Einkünfte oder Vermögen oder von Teilen dieser Einkünfte oder Vermögen im Quellenstaat bei Anwendung der Freistellungsmethode des DBAs eintreten würde, ohne dass eine Änderung des DBA oder der Erlass einer abkommensüberschreibenden Norm erforderlich ist. So soll die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gesichert werden.
Als erster praktischer Anwendungsfall wurde die Notifizierungsverordnung zum DBA Türkei am 8.3.2019 (BGBl 2019 I S. 186, BStBl I S. 209) veröffentlicht.
Ausgangspunkt ist, dass im Verhältnis zur Türkei durch das Zusammenspiel zweier bilateraler Abkommen, des deutsch-türkischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) vom 19. September 2011 (BGBl 2012 II S. 527) und des Abkommens zur Technischen Zusammenarbeit (TZ) vom 16. Juni 1970, in der Fassung der Ergänzung vom 15. Dezember 1977 und der Vereinbarung vom 14. April 1999 über die Einrichtung eines GIZ-Büros, in bestimmten Konstellationen sog. „weiße Einkünfte", d. h. Einkünfte entstehen, die weder in Deutschland noch in der Türkei besteuert werden können. Diese weißen Einkünfte entstehen, soweit das DBA der Türkei das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte zuweist, diese aber aufgrund des TZ-Abkommens nicht besteuern kann und von deutscher Seite die Freistellungsmethode angewendet wird.
Aufgrund der sogenannten Notifizierungsklausel (Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe e Doppelbuchstabe bb DBA Türkei) hat sich Deutschland u. a. in Fällen der doppelten Nichtbesteuerung die Anwendung der Anrechnungsmethode vorbehalten. Der Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode erfolgte in diesen Fällen nach gehöriger Konsultation der türkischen Seite und der entsprechenden Notifizierung auf diplomatischem Weg.
Durch die vorgenannte Verordnung ist die erfolgte Notifizierung des Wechsels von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode bei bestimmten Einkünften in verbindliches nationales Recht umgesetzt worden.