Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Zinslauf beginnt, soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruht, 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Die Frage, ob der nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht.
Sachverhalt
Für die Streitjahre 2007 und 2010 wurden die Kläger zunächst getrennt veranlagt. Im Jahr 2017 schlossen sie die Ehe nach § 17a PStG bei bestehender Lebenspartnerschaft und beantragten am 20.3.2020 die Zusammenveranlagung für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2010. Mit Bescheiden vom 26.10.2021 führte das Finanzamt die Zusammenveranlagungen für die Streitjahre durch. Die Bescheide wiesen jeweils Einkommensteuererstattungsbeträge aus.
Am 30.11.2021 beantragten die Kläger die Festsetzung von Zinsen nach § 233a Abs. 2a AO in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO für die Streitjahre. Der Zeitpunkt des rückwirkenden Ereignisses, das für die Bestimmung des Beginns des Zinslaufs maßgeblich sei, liege im Zeitpunkt der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe. Der Zinslauf habe dementsprechend ab April 2019 begonnen.
Das Finanzamt lehnte die Anträge auf Festsetzung der Zinsen mit der Begründung ab, dass der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem der Antrag auf Zusammenveranlagung gestellt worden sei. Dies sei der 23.3.2020 gewesen. Der Zinslauf beginne somit erst am 1.4.2022.
Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens haben die Kläger Klage erhoben. Sie machten - abweichend von ihrem Einspruchsbegehren - nunmehr die Festsetzung von Erstattungszinsen ab dem 1.4.2009 (für 2007) bzw. ab dem 1.4.2012 (für 2010) geltend.
Entscheidung
Das FG hat den Klägern insoweit Recht gegeben, als Erstattungszinsen ab dem 1.4.2019 festzusetzen sind. Im Übrigen hat es die Klage als unbegründet zurückgewiesen.
Mit dem zum 15.12.2018 in Kraft getretenen Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, hat der Gesetzgeber die Vorschrift des Art. 97§ 9 Abs. 5 EGAO eingeführt, wonach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und § 233a Abs. 2a AO entsprechend anzuwenden sind, wenn eine Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 nach § 20a LPartG in eine Ehe umgewandelt worden ist und soweit die Ehegatten bis zum 31.12.2020 den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und bislang nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben. Damit besteht für die Finanzverwaltung auch die Verpflichtung, Erstattungsbeträge, die sich aufgrund der nachträglichen, rückwirkenden Zusammenveranlagung der vormaligen Lebenspartner und jetzigen Ehepartner ergeben, nach Maßgabe des § 233a Abs. 2a AO zu verzinsen.
Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts ist aber insoweit nicht auf den Antrag auf Zusammenveranlagung als maßgebliches rückwirkendes Ereignis abzustellen. In Fällen der vorliegenden Art ist die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der maßgebliche Zeitpunkt und stellt damit dasjenige rückwirkende Ereignis dar, nach dem sich der Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2a AO bemisst.
Hinweis
Auf der Grundlage der Regelungswirkung des § 233a Abs. 2a AO, wonach der Zinslauf erst nach einer Karenzzeit von 15 Monaten nach Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, beginnt, konnte das FG der Rechtsauffassung der Kläger, die Verzinsung habe ab dem 1.4.2009 bzw. ab dem 1.4.2012 zu beginnen, nicht folgen. Denn in den Jahren 2007 und 2010 hat kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung stattgefunden, das nach Ablauf einer Karenzzeit von 15 Monaten zu einem Beginn des Zinslauf ab dem 1.4.2009 bzw. 1.4.2012 führen könnte.
Gegen die Entscheidung wurde zwischenzeitlich die vom FG zugelassene Revision eingelegt, Az beim BFH III R 17/24. Es bleibt demnach die Entscheidung des BFH in diesem Rechtsstreit abzuwarten.
Link zur Entscheidung
FG Köln, Urteil v. 20.03.2024, 3 K 1764/22