Rückwirkende Behandlung wie Eheleute

Das FG Hamburg (Urteil v. 31.7.2018, 1 K 92/18) hat im Inkrafttreten des Eheöffnungsgesetz - als außersteuerliches Gesetz - ein Ereignis gesehen, das eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO rechtfertigt.
Zunächst war beim BFH hierzu ein Revisionsverfahren unter dem Az. III R 57/18 anhängig. Die Revision wurde aber dann von der Verwaltung wieder zurückgenommen, weil im Rahmen des "Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" nun in Art. 97 § 9 Abs. 5 Einführungsgesetz der Abgabenordnung (EGAO) ausdrücklich geregelt wurde, dass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO entsprechend anzuwenden ist.
Rückwirkende Behandlung wie Eheleute
Das bedeutet, dass nach der Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe die bisherigen Lebenspartner rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft steuerlich wie Eheleute zu behandeln sind. Insbesondere ist auch dann noch eine Zusammenveranlagung möglich, wenn die bisherigen Einzelveranlagungen der Lebenspartner bereits bestandskräftig waren.
In diesem Zusammenhang müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- die Lebenspartnerschaft wurde bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt und
- der Antrag auf Erlass, Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids musste bis zum 31.12.2020 gestellt werden.
Fall des FG Sachsen: Umwandlung in Ehe erst 2020
Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem FG Sachsen gaben die Lebenspartner die Erklärung zur Überführung in eine Ehe erst am 8.5.2020 ab. Die rückwirkende Zusammenveranlagung ab Begründung der Lebenspartnerschaft (in 2006) wurde am 14.7.2020 beantragt.
Das Finanzamt argumentierte aufgrund der Gesetzesvorlage folgerichtig, dass eine Anwendung des Ehegattensplittings nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht kommt, da die Klägerinnen die Lebenspartnerschaft erst nach dem 31.12.2019, in eine Ehe umgewandelt hätten.
FG Sachsen hält § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO für anwendbar
Die Auffassung des Finanzamts hat das FG Sachsen nicht geteilt (Urteil v. 13.06.2023, 2 K 209/23).
Im Rahmen der Änderung des Gesetzes schlug der Finanzausschuss im Bundestag vor, dass im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Art. 97 § 9 EGAO ausnahmsweise ausdrücklich gesetzlich bestimmt wird, dass § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 sowie § 233a Abs. 2a AO entsprechend anzuwenden sind, wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bis zum 31.12.2019 erfolgt ist und die Ehegatten bis zum 31.12.2020 gemeinsam den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines - konkret zu bezeichnenden - Steuerbescheids zwecks nachträglicher Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender, bislang aber noch nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben.
Danach soll mit der Regelung dem betroffenen Personenkreis innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist ermöglicht werden, die Anpassung von Steuerbescheiden ungeachtet zwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft und Festsetzungsverjährung herbeizuführen. Die im Gesetz bestimmten Fristen seien ausreichend bemessen und sollten nach ihrem Ablauf für Rechtsfrieden sorgen. Dies sei nicht zuletzt deshalb geboten, weil die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich sei.
Ungeachtet der Vorgaben im Gesetz schließt sich das FG Sachsen aber dem FG Hamburg an, sodass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im vorliegenden Fall nicht entsprechend, sondern unmittelbar anzuwenden sei. Daher bedürfe es für die vorliegende Entscheidung nicht einer gesetzlich geregelten Anordnung, dass § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in den vorliegenden Konstellationen entsprechend anzuwenden sei. Die in Art. 97 § 9 Abs. 5 AO angeordnete Frist zur Umwandlung finde daher keine Anwendung. Die von den Klägerinnen erst nach dem 31.12.2019 veranlasste Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe führe nicht zu einem Ausschluss des Antrages auf Zusammenveranlagung in den Streitjahren, der im Übrigen auch noch vor Ablauf der Frist für die Antragstellung in Art. 97, § 9 Abs. 5 EGAO beim Finanzamt einging.
Keine Störung des Rechtsfriedens
Es trete auch keine Störung des Rechtsfriedens ein. Die Problematik der Aufbewahrung der Steuerakten würde sich genauso stellen, wenn die Klägerinnen bereits vor dem 31.12.2019 die Umwandlung veranlasst hätten. Auch für die Ungleichbehandlung mit Lebenspartnern, die zwar rechtzeitig ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, aber u. U. später im Jahr 2020 ihren Antrag auf Zusammenveranlagung gestellt haben, gäbe es keine ersichtlichen Gründe, so das FG.
Revisionsverfahren beim BFH anhängig
Das FG Sachsen hat die Revision zugelassen, welche auch eingelegt wurde (Az beim BFH III R 18/23). Vergleichbare Fälle sollten unbedingt offen gehalten werden bis der BFH entschieden hat. Ein vergleichbarer Fall sollte auch vorliegen, wenn der Antrag auf rückwirkende Zusammenveranlagung beispielsweise erst in 2021 gestellt wurde.
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