Verzinsung bei rückwirkend beantragter Zusammenveranlagung

Wurde eine Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 in eine Ehe umgewandelt, sind § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 sowie § 233a Abs. 2a AO entsprechend anzuwenden, soweit die Ehegatten bis zum 31.12.2020 den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und bislang nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben.

Dies wurde in Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO ausdrücklich geregelt (vgl. hierzu auch die News "Rückwirkende Behandlung wie Eheleute". Das FG Köln hat sich mit der Frage beschäftigt, wann bei rückwirkender Beantragung einer Zusammenveranlagung der Zinslauf nach § 233a AO beginnt.

Wann beginnt der Zinslauf?

Im Rahmen des Klageverfahrens vor dem FG Köln schlossen die Kläger in 2017 die Ehe. Es handelte sich um eine Eheschließung nach § 17a Personenstandsgesetz (PStG) bei bestehender Lebenspartnerschaft (seit 2006).

Am 20.3.2020 beantragten die Kläger die Zusammenveranlagung (nach bisherigen bestandskräftigen Einzelveranlagungen) u.a. für die Veranlagungszeiträume 2007 und 2010 gemäß § 26b EStG i. V. m. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Mit Bescheiden noch aus 2021 nahm das Finanzamt eine Zusammenveranlagung für die Jahre 2007 und 2010 vor. Hierbei wurden Erstattungsansprüche errechnet. Eine Zinsfestsetzung erfolgte nicht. Dies wurde aber dann von den Klägern gemäß § 233a Abs. 2a i. V. m. § 175 Abs. 1 Nr. AO beantragt.

Zeitpunkt des rückwirkenden Ereignisses

Nach § 233a Abs. 2a AO beginnt der Zinslauf, soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beruht, abweichend von § 233a Abs. 2 Satz 1 AO 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.

Die Kläger vertraten zunächst die Auffassung, dass der Zeitpunkt des rückwirkenden Ereignisses, der für die Bestimmung des Beginns des Zinslaufs maßgeblich ist, hier im Zeitpunkt der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe, mithin 2017 liegt. Im weiteren Verfahren gingen sie davon aus, dass die Begründung der Lebenspartnerschaft in 2006 der zu berücksichtigende Zeitpunkt ist.

Das Finanzamt erwiderte, dass gem. § 233a Abs. 2a AO der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres beginne, in dem der Antrag auf Zusammenveranlagung nach Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO gestellt worden ist. Dies sei nach Aktenlage der 23.3.2020 gewesen. Der Zinslauf beginne somit am 1.4.2022. Ergänzend weist das Finanzamt auf ein Urteil des FG Köln v. 13.10.2022, 14 K 642/21, hin. Darin stelle das Gericht klar, dass im Falle des Wechsels von der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG zur getrennten- bzw. Einzelveranlagung nach § 26a EStG für die Berechnung des Zinszeitraums der Zeitpunkt des gestellten Antrags maßgeblich ist.

FG Köln: Umwandlung in eine Ehe ist entscheidend

Das FG Köln ist in seinem Urteil v. 20.3.2024, 3 K 1764/22, weder der Auffassung der Kläger noch der Auffassung des Finanzamts gefolgt. Es vertritt vielmehr die Rechtsansicht, dass in Fällen der vorliegenden Art die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe den maßgeblichen Zeitpunkt und damit dasjenige rückwirkende Ereignis darstellt, nach dem sich der Beginn des Zinslaufs nach § 233a Abs. 2a AO bemisst.

Begriff des Ereignisses

Der Begriff des Ereignisses umfasse alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge. Dazu rechneten nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge. Ein solches Ereignis wirke steuerlich in die Vergangenheit, wenn anstelle des zuvor verwirklichten nunmehr der veränderte Sachverhalt der Besteuerung zu unterwerfen ist. Ein nachträgliches Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung müsse demgemäß zu einer Änderung des Sachverhalts führen, den die Finanzbehörde bei der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt hat und nicht nur zu einer veränderten rechtlichen Beurteilung des nämlichen Sachverhalts.

In den Jahren 2007 und 2010 habe kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung stattgefunden, das nach Ablauf einer Karenzzeit von 15 Monaten zu einem Beginn des Zinslauf ab dem 1.04.2009 bzw. 1.04.2012 führen könnte. Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts sei jedoch auch nicht in dem Antrag auf Zusammenveranlagung das rückwirkende Ereignis zu sehen, an das § 233a Abs. 2a AO die Verzinsungspflicht zeitlich knüpft.

Vielmehr vertritt das FG den Standpunkt, dass das rückwirkende Ereignis, um das es insoweit allein gehen kann, die nachträgliche Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe und damit die Schaffung der Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung ist. Die Umwandlung geschah hier in 2017, sodass ein Zinslauf danach unter Beachtung der Karenzzeit erst am 1.4.2019 eingesetzt haben kann.

Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO regelt Spezialtatbestand

Soweit der Beklagte demgegenüber auf das Urteil des FG Köln v. 13.10.2022, 14 K 642/21, verweist, wonach die Änderung der gewählten Veranlagungsart verfahrensrechtlich als ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf die Höhe der entstehenden Steuerschuld anzusehen ist, sei diese Entscheidung für den Streitfall nicht einschlägig.

Zwar ändere sich durch die zulässige Änderung der Wahlrechtsausübung der der Besteuerung zugrundeliegende Sachverhalt in der Weise, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der zunächst gewählten Veranlagungsart entfallen und nunmehr die Merkmale der neu gewählten Veranlagungsart vorliegen. Mit Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO habe der Gesetzgeber jedoch einen Spezialtatbestand geregelt, der sich der herkömmlichen Betrachtungsweise zur Änderung der Wahlrechtsausübung durch Eheleute im Rahmen der Veranlagungsarten entzieht.

Denn die Lebenspartner hatten zunächst einmal kein Wahlrecht zur Zusammenveranlagung, sondern wurden als Einzelsteuerpflichtige entsprechend der bestehenden Gesetzeslage einzelveranlagt. Mit den nachträglich eingeführten gesetzlichen Regelungen wurde ihnen vielmehr erstmalig die rechtliche Möglichkeit eingeräumt, eine Zusammenveranlagung zu beantragen. Von daher erscheine es insoweit nicht folgerichtig oder sachgerecht, davon auszugehen, dass sie nach der ursprünglich alternativlosen Einzelveranlagung nunmehr ihr Wahlrecht anderweitig ausgeübt – "geändert" – hätten und zur Zusammenveranlagung übergegangen seien.

Die Tatsache, dass zuvor überhaupt kein Wahlrecht bestand, führe vielmehr zu der Feststellung, dass mit der Beantragung der Zusammenveranlagung keine Änderung eines Wahlrechts vorgenommen wird. Dieses werde vielmehr, nachdem die Möglichkeit einer Zusammenveranlagung eröffnet worden ist, erstmalig ausgeübt.

Revisionsverfahren beim BFH anhängig

Das FG Köln hat die Revision zugelassen, welche unter dem Az. III R 17/24 beim BFH geführt wird.