Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Weist ein Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag aus, als er eigentlich schuldet, muss er auch den überhöht ausgewiesenen Steuerbetrag an die Finanzverwaltung zahlen. Diese in § 14c UStG umgesetzte Regelung wurde in Deutschland bisher streng ausgelegt. Nachdem der EuGH eine Steuerschuld zumindest in den Fällen verneint hatte, in denen der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist, lockert die Finanzverwaltung auch in Deutschland die Regelungen zum unrichtig ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag.
Die rechtliche Problematik
Führt ein Unternehmer im Inland eine Leistung steuerbar und steuerpflichtig aus, entsteht eine Umsatzsteuer aufgrund der von ihm erbrachten Leistung. Weist der Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Steuerbetrag aus, als er für seine Leistung schuldet, muss er auch den überhöht ausgewiesenen Betrag an die Finanzverwaltung zahlen (unrichtiger Steuerausweis). Bei einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG kann der Unternehmer den Steuerausweis gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigen. Typische Fälle eines unrichtigen Steuerausweises sind der Irrtum über den anzuwendenden Steuersatz, das Nichterkennen einer Steuerbefreiung oder der Irrtum über den Ort der ausgeführten Leistung.
Praxis-Tipp
Ein unrichtig in einer Rechnung ausgewiesener Steuerbetrag kann auch bei einer Kleinbetragsrechnung durch die Angabe des Steuersatzes vorliegen, wenn dieser zu hoch angegeben ist.
Neben dem unrichtigen Steuerausweis kennt das nationale Umsatzsteuerrecht auch noch den unberechtigten Steuerausweis. Ein unberechtigt ausgewiesener Steuerbetrag liegt insbesondere dann vor, wenn ein Nichtunternehmer oder ein Kleinunternehmer in einer Abrechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist oder wenn ein Unternehmer für eine gar nicht ausgeführte Leistung mit gesondert ausgewiesenem Steuerbetrag abrechnet ("Schein- oder Gefälligkeitsrechnung").
Hinweis
Die nationale Unterscheidung in den unrichtigen und den unberechtigten Steuerausweis war nur noch für die Art der Berichtigung des überhöhten Steuerausweises von Bedeutung. Bei einem unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG kann eine Berichtigung ohne Einbeziehung der Finanzverwaltung gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen, während bei einem unberechtigten Steuerausweis nach § 14c Abs. 2 UStG die Berichtigung unter Einbeziehung der Finanzverwaltung erfolgen muss und diese nur erfolgen darf, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt.
Die Regelungen des § 14c UStG basieren unionsrechtlich auf Art. 203 MwStSystRL, der aber – anders als national umgesetzt – keine Unterscheidung vornimmt und lediglich feststellt, dass die Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.
Der EuGH hatte sich in einer richtungsweisenden (österreichischen) Entscheidung mit der Steuerschuld und der Berichtigungsmöglichkeit eines überhöhten Steuerausweises befassen müssen. In dem Fall hatte ein Unternehmer, der nachweisbar Leistungen zum ermäßigten Steuersatz ausführte, in tausendfach ausgestellten Kleinbetragsrechnungen den Regelsteuersatz angegeben. Von dem vorlegenden Gericht war weiterhin festgestellt worden, dass aufgrund der Art der ausgeführten Leistungen eine Leistungserbringung an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer auszuschließen war. Der EuGH hat in seiner Entscheidung – ohne auf die Möglichkeiten der Berichtigung von Kleinbetragsrechnungen eingehen zu müssen – in diesem Fall festgestellt, dass eine Steuerschuld des leistenden Unternehmers für den überhöht ausgewiesenen Steuerbetrag ausscheidet, da bei der Leistungserbringung an Nichtunternehmer keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt.
Hinweis
Der BFH hatte noch 2018 eindeutig festgestellt, dass die Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG auch bei einer Rechnungserteilung an Nichtunternehmer entsteht.
Der EuGH muss sich aber erneut mit diesem Fall befassen. Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat in genau dieser Sache wieder den EuGH angerufen. In der ersten Vorlage war der EuGH unter der Voraussetzung gefragt worden, dass keine Unternehmer ggf. Leistungsempfänger sein können. In der daran anschließenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Österreich wurde dann ein Betrag i. H. v. 0,5 % des Gesamtumsatzes (etwa 112 von insgesamt 22.557 Rechnungen) angenommen, der potenziell zu einer Gefährdung des Steueraufkommens führen könnte. Gegen diese Entscheidung hatte dann die Finanzverwaltung Revision erhoben, da der EuGH nicht entschieden habe, ob eine schätzweise Aufteilung erfolgen könne. Der EuGH wird jetzt in der "zweiten Runde" gefragt, ob ein "Endverbraucher" nur ein Nichtunternehmer ist oder auch ein Unternehmer sein kann, der die Leistung für private Zwecke bezieht und ob ggf. eine schätzweise Aufteilung vorgenommen werden kann.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung erläutert zuerst die...