Leitsatz
1. Ist die Frist der Zahlungsverjährung durch eine Zahlungsaufforderung des FA unterbrochen worden, steht es nicht in der Macht des FA, die Unterbrechungswirkung durch einen actus contrarius (hier: Erklärung als "erledigt") zu beseitigen.
2. Zur Würdigung einer solchen Erklärung als öffentlich-rechtlicher Vertrag.
Normenkette
§ 228, § 231 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Vor Ablauf der Zahlungsverjährungsfrist erließ das FA eine Zahlungsaufforderung, die sich allerdings nicht nur an den Zahlungspflichtigen, sondern auch an dessen zusammen veranlagte Ehefrau ungeachtet eines inzwischen ergangenen Aufteilungsbescheids richtete. Das wurde von den Eheleuten beanstandet. Nach diesbezüglich mit dem FA geführten Gesprächen bestätigte das FA dem Ehemann schriftlich, dass die Zahlungsaufforderung "als erledigt angesehen" werde. Eine Beschwerde gegen sie sei daher unnötig.
Später setzte das FA seine Vollstreckungsversuche gegen den Vorgenannten fort, der nunmehr Verjährung geltend machte. Das FA hat daraufhin einen Abrechnungsbescheid erlassen, in dem es festgestellt hat, der Ehemann schulde noch ESt; denn die Zahlungsverjährung sei durch die Zahlungsaufforderung unterbrochen worden.
Entscheidung
Der Bescheid ist rechtmäßig, die Verjährung ist unterbrochen worden. Diese Wirkung kann durch eine "Erledigungserklärung" des FA nicht beseitigt werden. Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, in dem sich das FA verpflichtet hat, sich auf die Verjährungsunterbrechung nicht (mehr) zu berufen, sei nicht geschlossen worden.
Hinweis
Die Ansprüche des FA auf Zahlungen auf die Ansprüche aus dem festgesetzten (siehe hierzu die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung) Steuerschuldverhältnis verjähren nach § 228 AO nach fünf Jahren. Diese Frist wird nach § 231 Abs. 1 Satz 1 AO unterbrochen, u.a. durch die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs; die Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnt dann mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Unterbrechung geendet hat, erneut (§ 231 Abs. 3 AO).
Verjährungsunterbrechung tritt nach Ansicht des BFH nur aufgrund nach außen wirkender Maßnahmen ein (vgl. Urteile vom 23.4.1991, VII R 37/90, BStBl II 1991, 742 und vom 24.9.1996, VII R 31/96, BStBl II 1997, 8). Das hält der BFH aus Gründen der Rechtssicherheit für geboten (obwohl unter Umständen auch rein interne Maßnahmen sicher feststellbar sein können).
Verjährungsunterbrechung verlangt andererseits nicht notwendigerweise Maßnahmen gegenüber dem Zahlungspflichtigen (Schulbeispiele: Wohnsitzanfrage; vgl. z.B. Urteil vom 17.10.1989, VII R 77/88, BStBl II 1990, 44). Der Zahlungspflichtige erfährt also unter Umständen überhaupt nichts von der Unterbrechungshandlung des FA. Der Zahlungspflichtige muss nicht einmal im Zeitpunkt der Unterbrechungshandlung verfahrenshandlungsfähig sein, wenn die Unterbrechungshandlung nicht gerade ihm gegenüber vorzunehmen ist (Urteil vom 21.11.2006, VII R 68/05, BFH-PR 2007, 155).
Ist die Verjährungsunterbrechung bewirkt worden, steht sie nicht mehr zur Disposition des FA. Dieses kann also nicht etwa die betreffende Maßnahme wie einen Verwaltungsakt aufheben und dadurch die eingetretene Verjährungsunterbrechung wieder beseitigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Unterbrechungsmaßnahme nicht eben gerade ein Verwaltungsakt war (was z.B. bei der Zahlungsaufforderung nicht der Fall ist). Das FA kann auch nicht gleichsam auf die verjährungsunterbrechende Wirkung "verzichten". Allenfalls mag ein öffentlich-rechtlicher Vertrag dahin geschlossen werden können, sich auf die Unterbrechungswirkung nicht berufen zu wollen. Ob dieser wirksam wäre, hat der BFH allerdings nicht untersucht; es könnte zweifelhaft sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.11.2006, VII R 3/06