Leitsatz
Unterhaltsleistungen, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger von seinem nicht unbeschränkt steuerpflichtigen geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten erhält, sind nicht steuerbar (Abweichung vom BFH, Urteil vom 27.9.1973, VIII R 77/69, BStBl II 1974, 103; Abgrenzung zum BFH, Urteil vom 27.9.1973, VIII R 71/69, BStBl II 1974, 101).
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG , § 22 Nr. 1 Satz 2, Nr. 1a EStG
Sachverhalt
Die Klägerin lebte von ihrem Ehemann (E) dauernd getrennt, seitdem dieser seinen Wohnsitz im Juni 1989 vom Inland nach Monaco verlegt hatte. In einer notariellen Vereinbarung vom September 1989 verpflichtete sich E, an die Klägerin auf deren Lebensdauer einen monatlichen Unterhaltsbetrag zu zahlen. Die Klägerin verpflichtete sich, E auf dessen Lebenszeit die unentgeltliche Nutznießung eines beiden Ehegatten zu je ½ gehörenden Anwesens in Monaco zu überlassen.
Das Finanzamt erfasste in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1996 die der Klägerin in diesem Jahr zugeflossenen Unterhaltsleistungen als Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 EStG. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (EFG 2003, 92). Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
1. Der BFH führte zunächst aus, die streitigen Unterhaltsleistungen seien entgegen der Ansicht des FA und des FG nicht nach § 22 EStG steuerbar. Denn die steuerliche Erfassung von Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus Unterhaltsleistungen, die er von seinem geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten erhalte, sei – wie sich aus der gesetzlichen Systematik ergebe – abschließend in § 22 Nr. 1a EStG geregelt. Diese Bestimmung zähle zu den sonstigen Einkünften, "Einkünfte aus Unterhaltsleistungen, soweit sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Geber abgezogen werden (könnten)". Letzteres treffe im Streitfall nicht zu, weil § 50 Abs. 1 Satz 5 EStG 1990 (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 1999/2003) die Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG auf beschränkt Steuerpflichtige (hier: E) ausschließe.
2. Gleichwohl sei die Sache an das FG zurückzuverweisen. Nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und E erscheine es nicht als ausgeschlossen, dass die monatlichen Zahlungen – ggf. auch teilweise – als steuerpflichtige Einnahmen aus der Überlassung des der Klägerin gehörenden hälftigen Anteils am Anwesen in Monaco anzusehen seien. Auch wenn im Wortlaut der notariellen Vereinbarung einerseits von einem "Unterhaltsbetrag" des E an die Klägerin und andererseits von einer "unentgeltlichen" Überlassung des Anwesens durch die Klägerin an E die Rede sei, könne eine Auslegung des Vertrags zu dem Ergebnis führen, dass statt zweier gegenläufiger "unentgeltlicher" Zuwendungen eine entgeltliche Nutzungsüberlassung gewollt sei. Das FG werde aufzuklären haben, was die Vertragsparteien tatsächlich gewollt hätten und welches der wirkliche Rechtsgrund der an die Klägerin geleisteten Zahlungen sei. Der weitere Aufklärungsbedarf ergebe sich im Hinblick darauf, dass zwischen Deutschland und Monaco kein DBA bestehe.
Hinweis
Der im Zusammenhang mit § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG das sog. Realsplitting regelnde § 22 Nr. 1a EStG verbietet bei Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten als speziellere Norm den Rückgriff auf die allgemeinere Regelung des § 22 Nr. 1 EStG auch dann, wenn eine Besteuerung der Unterhaltsbezüge mangels Erfüllung der konkreten Voraussetzungen für den korrespondierenden Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG tatsächlich nicht stattfinden kann. Das gilt – soweit ersichtlich – unstreitig für solche Unterhaltsleistungen, bei denen es wegen fehlender Zustimmung des Empfängers nicht zu einem Sonderausgabenabzug beim Geber kommt. Dies gilt ebenso unstreitig hinsichtlich derjenigen Unterhaltsleistungen, die über den Höchstbetrag des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (nunmehr: 13.805 Euro) hinausgehen.
Nicht anderes kann nach der zutreffenden Auffassung des Besprechungsurteils auch dann gelten, wenn der Unterhaltsverpflichtete den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG deshalb nicht in Anspruch nehmen kann, weil er beschränkt steuerpflichtig ist (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die mit dem Hinweis auf das Leistungsfähigkeitsprinzip begründete Gegenansicht (vgl. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar, 21. Auflage, § 22 EStG Rz. 246; Söhn, FR 1996, 81, 87) überzeugt nicht. Zwar ist die Leistungsfähigkeit des Empfängers von Unterhaltsleistungen, die aus dem Ausland gezahlt werden, gegenüber der Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen, der nicht über entsprechende Zuflüsse verfügt, erhöht. Eine vergleichbare Erhöhung tritt aber ebenso ein, wenn von einem unbeschränkt steuerpflichtigen Geber gewährte wiederkehrende Leistungen wegen § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 EStG beim Empfänger nicht steuerbar sind. Die Leistungsfähigkeit der Empfänger betragsmäßig identischer Unterhaltsleistungen ist ersichtlich nicht davon abhängig, ob ...